Der Umgang mit der Bibel

Die Bibel (besonders das Neue Testament) spielt bei ihnen eine große Rolle. Wenn man ein eigenes Ziel ausmachen kann, dann das Bestreben, möglichst genau nach dem zu leben, was sie als Lehre der Bibel verstehen. Die Bibel gilt ihnen als Wort Gottes, das zwar nicht verbal inspiriert ist (so als ob Gott jedes Wort genau diktiert hätte), aber trotz der Einbeziehung der Persönlichkeit des Verfassers deutlich Gottes Willen wiedergibt. In der Bibelauslegung geht man teilweise wörtlich vor und überträgt Lebensmodelle einiger christlicher Gemeinden des 1. Jahrhunderts unterschiedslos auf heutige Verhältnisse (z. B. sich täglich zu versammeln). Andere Bibelstellen, die nicht in das Denkschema der Gruppe passen (z. B. Kirche als Gemeinde der Sünder oder: "Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet."), werden aber allegorisch gedeutet, als zeitbedingt verworfen oder wegdiskutiert. Die Problematik von Röm 14 z. B., dass eine Gemeinde auch Schwache im Glauben liebevoll dulden solle, wird erledigt, indem man erklärt: das galt nur für das Problem der damaligen Judenchristen, die noch an den jüdischen Fest- und Speisevorschriften festhielten, und sei nicht auf heutige Schwache im Glauben übertragbar. Außerdem stehen die Vorschriften des jüdischen Gesetzes im AT und wären deshalb einmal der Wille Gottes gewesen, während heutige Abweichung nie und nimmer der Wille Gottes seien und deshalb auch nicht geduldet werden dürften.

Die Bibel wird wie eine Art Orakel gesehen, das auf jede Frage eine genaue Antwort hat. Nach ihrer Meinung können aber nur Kompetente, d.h. Verantwortliche in der Gruppe die Bibel richtig verstehen und auslegen. Private Erkenntnisse und Einsichten haben demgegenüber keinen Platz. Gegenüber einem Kritiker, der mit der Bibel argumentierte, ist auch schon der Satz gefallen: "... es wäre besser, Bibeln nicht frei zu verkaufen, damit nicht jeder sie verdrehen könne."

Mitunter werden sogar Worte Jesu lächerlich gemacht: Beim Gleichnis vom guten Hirten, der die anderen Schafe verlässt, um nach dem verlorenen Schaf zu suchen, fiel z. B. die Bemerkung, dass doch ein wirklicher Hirte nie so dumm sein können, einen derartigen Unsinn zu tun. (Der Hintergrund dieser Diskussion war: Eine junge Frau wollte zusammen mit ihrer Schwester in den Urlaub fahren, um dieser bei persönlichen Problemen zu helfen. Der Gruppe gegenüber, die auf die Einhaltung der Gemeinschaft und der täglichen Treffen drang, versuchte sie ihren Plan mit dem Gleichnis vom guten Hirten zu begründen. In der Gruppe ist es aber nicht üblich, sich weiter um Leute zu bemühen, die auf den ersten Kontakt nicht "angebissen" haben. Diese hätten ihre Chance vertan. Keinesfalls sollte man die Gruppe mit ihren täglichen Treffs zugunsten eines anderen Menschen vernachlässigen. Deshalb musste das Gleichnis "entkräftet" werden.)

Teilweise werden Bücher der Bibel aber auch abgelehnt bzw. gering geschätzt. So argumentiert die Gruppe, z. B. in Bezug auf das Buch Kohelet ("Der Prediger Salomo"): Salomo, dem das Buch zugeschrieben wird, sei später abgefallen, wodurch das Buch an sich ungültig ist. Und was hätten diese Sprichwörter überhaupt für einen Sinn? Teilweise meinen sie, dass dieses Buch deshalb in die Bibel aufgenommen wurde, um als Warnung vor dem Abfall zu dienen. Ein festes Kriterium für diesen Kanon im Kanon (Einteilung der biblischen Schriften in bedeutsame und unwichtige) wird nicht direkt genannt. Für den Beobachter scheint der Auswahlmaßstab zu sein, inwieweit es zu ihrer Lebensweise bzw. in ihr Denkschema passt.

Die Bibel ist die einzige akzeptierte Autorität. Zur Begründung einer bestimmte Handlungsweise werden von ihnen keine Argumente akzeptiert, die nicht der Bibel entstammen. Bei der Frage der Todesstrafe wird z. B. nur mit den entsprechenden Vorschriften des Alten Testamentes argumentiert. Einem Mädchen, das dagegen sprach, wurde vorgehalten: "...dass deine Argumentation einem humanistischen Ideal, nicht aber dem Wort Gottes entstammt. Durch deine Lehre erhebst du dich über Gottes Wort."

Es begegnen uns bei ihnen also sowohl Formen der modernen Bibelexegese (z. B. bei den Schöpfungserzählungen) als auch wörtliche Übertragung des Gelesenen auf heutige Zustände ohne Beachtung des Kontextes oder der geschichtlichen Situation.

Eine eigene Literatur ist nicht bekannt. Da die beobachtete Argumentation gegenüber Neuen jedoch ziemlich einheitlich ist, wäre zu vermuten, dass es gemeinsame Schulungen gibt, die mitunter auf recht hohem theologischen Niveau liegen. Dafür müsste es erfahrungsgemäß auch schriftliches Material geben. Bekannt ist, dass die Gruppe mitunter kirchenkritische Bücher fremder Autoren benutzt. Im Laufe der Zeit sind aber auch eigene Erarbeitungen in Manuskriptform zu bestimmten Themen entstanden, die von den Mitgliedern genutzt werden. Anfang des 21. Jahrhunderts wurden dann auch einige Texte auf ihre Homepage gestellt.