Tipps für die Phase der inneren Distanzierung

Was in Ihrem Angehörigen in dieser Phase vorgehen kann, finden Sie am besten im Abschnitt „Probleme bei Aussteigern“ beschrieben. Im Abschnitt „Rückschau“ sind Meinungen von ehemaligen Holic-Anhängern zusammen gefasst. Sie bieten einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt ehemaliger Mitglieder. Unter dem Abschnitt „Hilfen für Aussteiger“ sind die Antworten verschiedener ehemaliger Mitglieder zusammengefasst, was ihnen in dieser Situation geholfen hat. Diese Seiten sind eine wichtige Ergänzung zu dem hier Gesagten.

Man muss in dieser Phase besonders beachten, dass die Distanzierung von der Sekte nicht absolut ist. Es gibt bestimmte Dinge, welche die ehemaligen Mitglieder nach wie vor gut finden (siehe „Rückschau“) und weiter praktizieren wollen. Deshalb sollte man auch hier vorsichtig sein.

Weiterhin muss man auf das Gesprächsbedürfnis des ehemaligen Anhängers achten. Mancher hat einen hohen Gesprächsbedarf, ein anderer möchte überhaupt nicht darüber reden. Hier hat es sich bewährt, die eigene Offenheit zum Gespräch (möglichst nonverbal) zu signalisieren bzw. ungezwungene Gelegenheiten zu schaffen, wo der Angehörige von sich aus ein solches Gespräch eröffnen kann. Das können Spaziergänge, gemeinsames Kochen, Bootsfahrten, Radfahren… sein. Auch sollte man bei einem Gespräch (vor allem, wenn man es selbst begonnen hat oder mit eigenen Nachfragen sensible Themen berührt) auf die (evtl. abwehrenden) Signale des Angehörigen achten und dann das Gespräch auf unproblematischere Gebiete umlenken.

Eine Hilfe für Menschen, welche die Gruppe verlassen haben, stellt das Gespräch mit ehemaligen Mitgliedern dar. Sie können von eigenen Erfahrungen in der Gruppe erinnern und kennen deren Konfliktpunkte. Durch das Gespräch mit ihnen wird dem Ausgestiegenen die Angst genommen, es könnte kein glückliches und erfülltes Leben außerhalb der Sekte geben. Entsprechende Kontakte können die Weltanschauungsbeauftragten vermitteln.

Vor allem solange das ehemalige Mitglied noch keine eigenen sozialen Kontakte geknüpft hat, ist die emotionale (aber auch praktische und unter Umständen finanzielle) Unterstützung durch Familie und Freunde sehr wichtig. Dazu können Besuche, Ausflüge, gemeinsame Aktionen (Schrank aufbauen, Gartenarbeit) aber auch ein regelmäßiges oder sporadisches gemeinsames (Kochen und) Mittagessen gehören.

Soweit es Ihnen möglich ist, können Sie Ihren Angehörigen auch bei dem Aufbau eines neuen sozialen Umfeldes unterstützen. Beachten Sie dabei aber seine Interessen und bevorzugten Gemeinschaftsformen. Sehr hilfreich sind hier gleichaltrige Freunde und Geschwister, die sich mitunter besser als die Eltern in den Angehörigen und seine Bedürfnisse einfühlen können.

Niemals sollten Sie ein Gespräch mit erhobenem Zeigefinger führen im Sinne von »Das hab ich Dir doch damals schon gesagt«. Bedenken Sie, wie schwer es für jeden ist, einen Irrtum einzugestehen. Erheben Sie ihren eigenen Lebensentwurf nicht zum Maßstab. Es kann durchaus sein und ist völlig normal, wenn sich der neue Lebensentwurf Ihres Angehörigen von Ihrem unterscheidet. Er muss seinen Weg selbst finden. Sie können ihn nur dabei helfend begleiten, soweit er es zulässt.

Die Distanzierung von einer Sekte ist ein persönlicher Reifeprozess, bei dem der Betroffene zu mehr Eigenverantwortung findet. Hilfreich ist also alles, was sein Selbstwertgefühl und innere Stabilität stärkt. Mitunter braucht man für einen solchen Prozess auch einen geschützten Raum. Das kann vor allem in emotionaler Hinsicht die Zuwendung und Begegnung der Familienangehörigen sein, sich aber auch auf den materiellen Bereich (Wohnen, Alltag, Arbeit) erstrecken.