Motive des Jugendsatanismus

Warum beschäftigen sich Jugendliche mit dem Satanismus? Weshalb benutzen Sie Symbole des Satanismus, geben sich ein entsprechendes Outfit und äußern eine entsprechende Einstellung?

In der Regel begegnet uns im am häufigsten verbreiteten Jugendsatanismus (Cliquen-Satanismus) ein Gemisch aus unterschiedlichen Motiven. Zusammengefasst könnte man sagen, dass sich der/die Einzelne entweder etwas von der Beschäftigung mit Satanismus erhofft, Satanismus als Ausdruck seines derzeitigen Lebensgefühls empfindet bzw. ihn als Möglichkeit sieht, seine Anliegen (z. B. Gesellschaftsprotest) auszudrücken. Im Folgenden sollen einmal einige dieser Motive näher beleuchtet werden:

  • Macht: Für das Lebensgefühl Jugendlicher klafft die Schere zwischen physisch/psychischer Reife und sozialer Reife (eigenes Einkommen, Wohnung, Selbständigkeit) immer weiter auseinander. Deshalb wird die eigene Machtlosigkeit und das Angewiesensein auf andere Autoritäten (Eltern, Lehrer) bzw. Eingebundensein in gesellschaftliche Zwänge umso stärker erfahren. Satanismus mit seinen Machtphantasien bietet eine Kompensation dieses Gefühls und entsprechende Fluchträume an. Objektiv betrachtet handelt es sich dabei allerdings vor allem um Sprücheklopfen und Wunschträume. Ein weiterer Anreiz liegt darin, dass man die Machtpersonen, denen man sich ausgeliefert fühlt, durch das eigene Outfit, Auftreten und entsprechende satanistische Sprüche gekonnt provozieren kann, was als sehr lustvoll erlebt wird. Mögliche Verunsicherungen dieser Personen werden als Ausdruck der eigenen Macht gedeutet.
  • Aggression: Zum gesellschaftlichen Konsens gehört es, nett, freundlich und liebevoll zu sein. Vor allem (aber nicht nur) männliche Jugendliche stoßen hier mit dem in ihnen vorhandenen Aggressionspotential an Grenzen. Wo kein Raum für sinnvolles Ausleben dieses Potentials (z. B. im Sport) gegeben ist, könnte Satanismus aus diesem Grund für sie interessant werden.
  • Identitätssuche: Gerade Jugendliche sind auf der Suche nach der eigenen Identität und dem ihnen gemäßen Ausdruck (Aussehen, Kleidung, Zimmergestaltung, Lebensstil...). Sie erfahren sich dabei im Erleben und Gestalten sozialer Rollen, in der Interaktion mit anderen (vor allem Gleichaltrigen), der sogenannten Sozialwirksamkeit. Satanismus bietet hier ein Reservoir an Rollenmustern und Stilelementen, eine Gruppe Gleichaltriger sowie durch seine Ideologie eine Fokussierung auf die eigene Person.
  • Nervenkitzel: In unserer Erlebnisgesellschaft stellen das Event, starke Gefühle und Erlebnisse einen hohen Wert dar und vermitteln Glücksgefühle. Satanismus scheint aufregende Abenteuer in einer ansonsten eher biederen Welt zu bieten. Im Vergleich zu Bungee-Jumping oder Erlebnisparks ist dabei auch keine hoher finanzieller Einsatz erforderlich. 
  • Ich-Aufwertung: Mancher fühlt sich durch den angeblichen Bund mit Satan als Person gestärkt. Die Verbindung mit Satan vermittele ihm selbst neue und besondere Kräfte und eine Bedeutung, die ihn über andere erhebt. Außerdem bietet Satanismus durch sein Spiel mit Symbolen und der äußeren Darstellung (Kleidung, Schminken, Zimmergestaltung...) einen weiten Raum und vielfältige Anregungen für die Selbststilisierung. 
  • Aufmerksamkeitszuwendung: Wer sich als Satanist darstellt, darf sich der Aufmerksamkeit seiner Umwelt gewiss sein. Man wird zum Gesprächsthema, gilt als etwas Besonderes. Das kann auch als stärkend für das eigene Selbstwertgefühl erfahren werden.
  • Leben in der Gruppe: Ein zentrales Lebensthema des Jugendalters ist die Gruppe Gleichaltriger (peer-group). Sie ist für viele Jugendliche der bevorzugte Sozialraum. Deshalb könnte die Zugehörigkeit zu einer sich als satanistisch verstehenden Gruppe für einen Jugendlichen vor allem unter dem Motiv geschehen, mit anderen Jugendlichen in einer verschworenen Gemeinschaft zusammen zu sein und gemeinsam etwas zu unternehmen. Die satanistischen Inhalte und das Erscheinungsbild werden dann im Sinne einer corporate identity eher äußerlich übernommen. (Man möchte dazugehören und bekundet dies durch ein der Gruppe konformes Auftreten und Erscheinungsbild.)
  • Führungsbedürfnis: Ähnlich wie bei Sekten könnte bei der Hinwendung zum Satanismus auch eigene Unsicherheit eine Rolle spielen. Indem man sich der Führung einer machtvollen Person (Satan oder dem dominanten Gruppenleiter) unterstellt, erhält man Sicherheit in der eigenen Lebensführung und -entscheidungen (Verantwortungsabgabe).
  • Protest / Provokation: Im Zuge der Selbstfindung Jugendlicher werden die Werte und der Lebensstil der Erwachsenenwelt in Frage gestellt. Hier bietet sich Satanismus mit seiner Umkehrung der bürgerlichen Werte und seinem hohen Provokationspotential an. Man kann mit ihm eine Gegenwelt zur bürgerlich-anständigen Gesellschaft aufbauen, sich diese durch eine äußere Darstellung, die sie ästhetisch schockiert, auf Distanz halten und zusätzlich durch das eigenen Auftreten provozieren und in Frage stellen.
  • Ritualbedürfnis: Im Ritual wird die eigene Existenz in größere (religiöse, gesellschaftliche oder kosmische) Zusammenhänge gestellt. Wer sich den religiösen Ritualen entfremdet hat, findet im Satanismus eine Welt von für ihn als erlebnisintensiver und unverbrauchter empfundenen Ritualen.
  • Sozialdarwinismus: Werte und Normen können als Einengung und Beschränkung der eigenen Vitalität erfahren werden. Dem Wunsch nach schrankenlosem Sich-Ausleben kommt der Satanismus mit seinem Grundsatz "Tu was du willst, soll sein das ganze Gesetz" (Aleister Crowley im "Liber al vel Legis") entgegen. Entscheidend sei das Durchsetzen der eigenen Interesse und Wünsche. Rücksichtnahme auf Schwächere wird zugunsten eines Sich-Durchsetzen des Stärkeren abgelehnt. 
  • Sexualität: Das in einigen satanistischen Richtungen übliche schrankenlose Ausleben der Sexualität scheint im Jugendsatanismus eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.