Was für Sie hilfreich von Seiten Ihrer Familie in der Zeit nach dem Ausschluss?
- Meine Eltern begegneten mir mit der gleichen Liebe, die ich schon aus der Zeit vor der Gemeinschaft kannte. Und das war das beste, was sie tun konnten. Aber in Ihrer Webseite gibt es auch den guten Hinweis, jemanden nicht mit übermäßiger Vorsicht zu behandeln (wie ein rohes Ei).
- Nach einiger Zeit habe ich dann meine Eltern kontaktiert und entschieden nach N. zurückzuziehen, weil ich dachte, dass ich abgefallen bin und keine Hoffnung mehr habe, zu Gott zu kommen. Ich dachte, dass es keinen Sinn macht, alleine zu bleiben, obwohl ich dachte dass ich als Abgefallener kein Glück mehr finden kann und mir alles immer sinnlos vorkommen wird. (Bald habe ich dann bemerkt, dass es nicht stimmt! :) ) Aber. In dieser Phase war es mir sehr wichtig, dass meine Eltern mir Zeit gelassen haben, um selber zu verstehen dass Holic nicht "die einzige richtige Gemeinde" ist, sondern eine Sekte.
Ich habe dann selber angefangen, über Holic zu sprechen, als Dinge klarer wurden innerhalb der nächsten Tage und Wochen. Später habe ich mit meiner Mutter (wir sind einander immer nahe gewesen) viel über meine Erfahrung in Holic und ihre Erfahrung als Mutter und auch über Glaubenssachen geredet. Diese ehrlichen, offenen Gespräche mit ihr haben sehr geholfen. Von Religion halte ich mich jetzt ganz fern (ich habe fast aggressive Gefühle wenn ich etwas über Christentum höre) und das respektieren meine Eltern und Freunde auch.
Es war auch wichtig, dass meine Eltern und auch alle anderen Verwandten mich so wunderbar angenommen haben. Keiner hat mir ein böses Wort gesagt oder mich in irgendeiner Weise geschimpft, alle waren nur froh dass ich wieder da war. In Holic, besonders wenn es einem "geistlich schlecht geht" also gerade vor dem Ausschluss, hört man genug davon dass man ganz viel falsch macht und böse ist. Sicher ist es aber auch wichtig ehrlich zu sein. Ich habe mich bei meinen Eltern und bei einigen anderen entschuldigt, und fast alle haben gesagt dass es nichts zu entschuldigen gibt, nur meine beste Freundin nicht: sie hat gesagt dass sie vergibt. Und es war wichtig für mich. Ich wusste dass ich meinen Verwandten und Freunden gegenüber schrecklich war als ich Holic eingetreten bin, und es war erleichternd zu hören dass es jetzt vergeben war. Es hätte nicht geholfen wenn meine beste Freundin gesagt hätte, dass es nichts zu entschuldigen gibt, wenn sie in Wirklichkeit noch vergeben musste. (Das Schrecklichste wäre natürlich gewesen, dass sie (oder jemand anderer) nicht vergeben hätte: das habe ich zum Glück nicht erlebt.)
Am Anfang (als ich wegen meiner Kündigungsfrist noch 4 Wochen in Deutschland sein musste) war es mir ganz notwendig, dass meine Eltern einfach da waren. Natürlich immer noch, aber ganz am Anfang besonders stark. Wir haben jeden Tag lange telefoniert (im Telefon und via Skype). Ich habe nur jemanden gebraucht, mit dem ich reden konnte. Als Ausgeschlossener ist man völlig, völlig alleine in der Welt: "Geschwister" gibt´s nicht mehr und von "Ungläubigen" muss man sich abgrenzen. In der letzten Zeit habe ich dann sehr viel über mich gesprochen, und meine Eltern und Freunde haben es geduldet oder gemocht, ich bin mir da nicht sicher. :) In Holic wird man sowas von ermahnt, dass man sich nicht selbst ins Zentrum stellt. Jetzt ist das Gefühl, anderen wichtig zu sein (und davon kein schlechtes Gewissen zu bekommen) wunderbar gewesen. Das braucht ja nur Zeit für den anderen und Interesse an ihm: das habe ich von meinen Eltern bekommen, ganz überflüssig. Noch mit dem Wissen dass sie nichts von mir erwarten, nur immer da sind wenn ich sie brauche.
Tja, das ist wirklich nur wie es mir gewesen ist. Ich könnte mir aber vorstellen, dass dies vielen hilft: sich bewusst zu sein, dass die Eltern ganz für einen da sind und dass man ihnen ganz, ganz wichtig ist, aber doch ohne Druck, irgendwie weiterzukommen. Man kann über "normale Dinge" reden und den Alltag teilen. Jetzt ist es mir eingefallen, dass es mir wahrscheinlich geholfen hat, dass ich z.B. mit meinen Eltern ganz so sein konnte und kann wie früher: ich bin nicht nur "die Zurückgekommene" sondern einfach ihre Tochter. Die Zeit in Holic war doch keine Katastrophe oder ganz verlorene Zeit, sondern vielleicht nur eine Phase, die ich durchgehen musste. Und meine Beziehung zu meinem Vater hat sich sogar sehr gebessert, da ich jetzt die Familie noch mehr schätze und auch klar gesehen habe, wie sehr mein Vater sich um mich kümmert
- Neun Monate lang wussten sie nichts von meinem Ausschluss. Mein vorrangiges Anliegen war, es, meine Beziehung mit Gott in Ordnung zu bringen und ich wollte dabei nicht von anderen beeinflusst werden. (Gut, ich las, was ich im Internet von der und über die Holic-Gruppe fand und auch einige christliche Bücher). Erst als ich mir klar darüber war, dass ich nicht in die Gemeinschaft zurück kehren konnte, besuchte ich meine Eltern und erzählte ihnen, dass ich nicht mehr in der Gruppe bin.
Was empfand ich als hilfreich von ihrer Seite? Vielleicht dass die Eltern den Kontakt mit mir nicht aufgegeben hatte, machte es etwas einfacher, den Kontakt mit ihnen zu erneuern. Auch wenn ich nicht viel schrieb, so schrieben sie (vor allem meine Mutter) ab und an Emails über ihr Leben und fragten mich, wie es mir ging. Sie erwähnten wiederholt, dass sie darauf warteten, dass ich sie besuchen komme, aber sie suchten nicht nach mir. Mein Vater drohte mir allerdings an, nach mir zu suchen, wenn ich nicht mehr auf die Mails antworten sollte. Ich schrieb etwas auf die Mails zurück, aber es kann auch sein, dass ein solches Verhalten jemand anderen dazu provoziert, den Kontakt abzubrechen.
Sie aktzeptierten irgendwie, dass ich in der Gemeinschaft war und dass ich mit den anderen teilte, was sie mir bei meinen seltenen Besuchen bei ihnen gaben.
In einem Jahr, als ich arbeitslos war, schickten mir die Eltern einige Male Geld. Ich vemute, dass sie genauso gehandelt hätten, wenn ich nicht in der Gemeinschaft gewesen wäre. Sie sind so lieb.
Im Falle des Ausschlusses kann jemand finanzielle Probleme bekommen.
Nach dem Auschluss übten sie keinen Druck auf mich aus, sondern ließen mir die Freiheit, meinen eigenen Weg zu finden. Sie sind nicht gläubig, weshalb ihre geistliche Hilfe natürlich begrenzt war. Sie halfen mir in weltlichen Dingen, wenn ich es brauchte.
Meine christlichen Freunde, die ich vor meinem Eintritt in die Gemeinschaft hatte, nahmen mich mit Freude auf. Einige von ihnen hatten die Autorität (aufgrund ihrer Liebe, ähnlicher Erfahrungen und unserer früheren engen Beziehung), mir auch kritische Dinge zu sagen. Und sie haben für mich die ganze Zeit über gebetet.
Ich finde, das wichtigste, was man tun kann, ist ohne Druck zu lieben, sondern zu beten und nach Gottes Führung Ausschau zu halten. Bereit sein, anzunehmen, die Entscheidungen zu respektieren, bereit sein, auf jede mögliche Art zu helfen, die Akzeptanz und die Bereitschaft zur Hilfe deutlich werden zu lassen, aber das Kind selber entscheiden zu lassen, was es will. Was man tun kann, hängt auch von der Beziehung ab, die man früher zu seinem Kind hatte.