Bericht eines ehemaligen Mitglieds über die erfahrenen Werbemethoden (2000)
Mit diesem persönlichen Erfahrungsbericht möchte ich, Hjalmar (Name geändert/19 Jahre) aus Dresden, einen Einblick in das Zustandekommen meines Kontaktes zur Holic-Gruppe geben.
Irgendwann an einem Freitag, Dezember dieses Jahres (1999), befand ich mich - im Sessel sitzend und ein Buch durchstöbernd - in einem Dresdner Buchladen. Nach einiger Zeit gesellte sich eine ca. 30-35 Jahre junge Frau in den Sessel nebenan und sprach mich kurz darauf zum Thema Religion an. Ich rückte recht schnell mit der Behauptung, ich sei Christ, heraus, da ich durch ihre Auftretensweise sofort ahnte, sie komme aus der christlichen "Szene" und ich mich so nicht scheute mein Christsein zuzugeben.
Sie kam in der kurzen Unterhaltung auch auf den Punkt des "Bibellesen" - und ich darauf zu dem Eingeständnis, dass sich dies bei mir oft nur so hinquält und ich mich dazu zwingen muss. Daraufhin lud sie mich zu "ihrer" Gruppe ein, die gemeinsam Bibel lese. Ich nahm die Einladung für diesen Abend an - vielleicht offenbarten sich die Leute als eine Gruppe, in der ich mich wohlfühle und wo wir wirklich ab und zu gemeinsam Bibel lesen können.
Als ich diesen Abend am vereinbarten Ort eintraf, fand ich sie und eine weitere Person vor. Wir gingen ein wenig an der Elbe spazieren, währenddessen sie sich an meine "Glaubenssituation" herantasteten und es unter anderem um das Leben der ersten Christengemeinden und im Vergleich dazu, um die Gemeinden heutzutage ging.
Danach wurde ich zur Fortsetzung des Gespräches in ihrer Wohnung eingeladen, wo ich weitere Personen kennen lernte. Schon allein nach diesem ersten Treffen ging ich mit vielen neuen Gedanken nach Hause, da die Gespräche sehr intensiv und gehaltvoll sind.
Die nächste Zusammenkunft wurde auf den Montag festgelegt, da die Gruppe übers Wochenende wegfuhr.
Wieder anfänglicher Spaziergang mit anschließendem Gespräch in der WG. Bei den Spaziergängen nahmen sich immer zwei Personen "meiner an".
An diesem Abend wurde nur nebenbei gesagt, dass ich mir doch für die Zukunft eine Taschenlampe zulegen solle (zum Bibellesen bei den nächtlichen Spaziergängen). Die Formulierung "für die Zukunft" löste meinerseits Unbehagen aus, da sie eine gewisse Verbindlichkeit, die von mir erwartet werde, ausdrückt und ich eher individualistisch/unabhängig eingestellt bin und mich nicht gern festlege.
Nächster Treff am Donnerstag, da ich schulische Verhinderung für Dienstag und Mittwoch einschieben konnte, worüber ich recht froh war, denn die Erwartung, täglich zusammenzukommen, schreckt mich ab.
Gleicher Ablauf, nur dass ich später in der WG eingeladen wurde, dieses Wochenende zu dem gemeinsamen Treffen nach Tschechien mitzufahren. Passte mir gar nicht, da ich eigentlich nach Hause fahren wollte (komme eigentlich aus dem Vogtland). Darauf endlose Diskussion (bis 2.00 Uhr) mit dem Resultat, mich doch zum Mitfahren überwunden zu haben.
Freitag. Vor einer Woche hats angefangen.
Noch einmal Spaziergang und später Gespräch in der WG. Dann in der Nacht Fahrt nach Tschechien, während der ich im Bus schlief.
Es folgte ein sehr intensives Wochenende, mit viel Gesprächen die mitunter (wie sich später herausstellte) auf mich zugeschnitten waren. Alles in allem wirkten die letzten 9 Tage überaus beeinflussend. Ich erwartete nach dem Wochenende sehnlichst, wieder nach Dresden zu kommen und für mich allein sein und nachdenken zu können. Ich war völlig aufgewühlt, fühlte mich in meiner bisherigen Umwelt absolut fremd, wie hineingeworfen.
Angemerkt: Ich hatte bis jetzt mit keiner anderen Person Austausch über meinen Kontakt zu der Gruppe. Nächster Treff stand für Mittwoch aus, da ich für Montag und Dienstag "glücklicherweise" volles Schulprogramm hatte.
Kam in diesen zwei Tagen nicht gerade zur Ruhe, konnte überhaupt nichts mehr genießen, war nur noch ernst und mies drauf, hörte keine Musik mehr, begann langsam zu akzeptieren, dass dies die einzig richtige Form ist, Christsein zu leben, Lebensfreude ? - wie weggeblasen.
Am Mittwoch gab es Spazieren und Gespräch in Moritzburg (bei Dresden) mit den Geschwistern aus Oelsnitz und Berlin. Das Wiedererkennen der Berliner und Oelsnitzer und die Freude einiger Personen darüber, dass ich hier sei, löste meinerseits ein schönes Zugehörigkeitsgefühl aus. Hatte mich an diesem Tag in Gedanken schon irgendwie damit abgefunden, diese Lebensweise anzunehmen und alles andere aufzugeben - es schien mir nur noch eine Frage der Zeit, bis sie mich ganz rumgekriegt hätten (damals dachte ich natürlich noch, dieser Weg sei meine "Berufung" und nicht ne Frage von rumgekriegt oder nicht).
An diesen Abend blieb mir noch zu offenbaren, dass ich dieses Wochenende aber nach Hause fahre, was ich organisatorisch auch schon fest gemacht hatte, nicht dass ich mich wieder überreden ließe. Diese Botschaft wurde nicht gerade beglückt aufgenommen, aber letztendlich gehörte das Wochenende mir und ich war heilfroh nach Hause fahren zu können und über die ganze Sache zu reden. Wohlgemerkt: ich trat die Heimfahrt in dem Glauben an, die richtige Form von Christsein kennen gelernt zu haben und wollte ja förmlich die anderen bekehren. Der Bekehrungsversuch versiegte aber sehr schnell, da ich merkte, dass die mir vermittelte Erkenntnis, die in sich absolut unangreifbar / hieb und stichfest erschien, in neuer Perspektive zu bröckeln begann.
Ich kam etwas erleichterter wieder nach Dresden, schon allein durch die Tatsache, nun Menschen zu haben, die um meine Situation wissen und die ich anrufen und um Rat fragen kann - das war sehr wichtig, denn im Nachhinein erschrak ich darüber, was nicht mal 14 Tage Beeinflussung - ohne Reflexion der Geschehnisse mit anderen - bei mir anrichteten. Ich kam mir nun vor wie zwischen zwei Polen, wo mich jeder in seine Richtung ziehen wollte. So fasste ich den Entschluss, erst einmal keinen Kontakt mehr mit der Gruppe zu pflegen, um endlich unbeeinflusst nachdenken, ordnen, meinen Standpunkt in allem finden zu können.
Montag lief nichts Erwähnenswertes, aber am Dienstag wurde ich nach Schulschluss von zwei Personen aus der Gruppe "abgefangen" - ich ließ mich auf ein Gespräch ein. Sie wollten natürlich wissen, wie es nun um mich stände. Es lief dann darauf hinaus, dass wir uns für Donnerstag verabredeten, wo ich erst mal nen Schlussstrich ziehen wollte - hatte sowieso noch was abzugeben und zurückzuholen.
Der Donnerstag war denn auch das vorläufig letzte Treffen, irgendwann brach ich (als der von mir gesetzte zeitliche Rahmen erreicht war) das bestehende Gespräch, in dem es u.a. um mich und meine Stellung zur Gruppe ging, ab. Fühlte mich aber voll beschissen, wie als hätte ich mich zugunsten der Freuden dieser Welt gegen Gott entschieden.
Das folgende Wochenende nutzte ich ganz für mich alleine zum Nachdenken ohne jeglichen Einfluss von Außen. Dies war mir sehr wichtig, hier entstanden u.a. auch einige Notizen, anhand derer ich des Erlebte anderen später besser verdeutlichen konnte.
Jetzt im nachhinein war dieses Erlebnis für mich persönlich nur gut und hat mir viel gebracht (trifft wirklich nur für meine persönliche Situation zu).
Trotzdem ist es einfach Wahnsinn, welch enormen "Sinneswandel" diese Leute in effektiv 9 Tagen bewirkten. Ich denke meine besondere Anfälligkeit der Gruppe gegenüber bestand darin, dass ich durch meinen vorläufigen Wohnort in Dresden von Personen, mit denen ich darüber hätte reden können, entfernt war, was die Gruppe auch schnell merkte. So konnte ich nie sofort den Blickwinkel einer unabhängigen Vertrauensperson erfragen und unterlag nur der emotionalen Wirkung der Gruppe auf mich. Weiter stieß ich durch den Kontakt mit den Leuten auf Dinge in meinem Christsein, die offensichtlich nicht mehr so stehen bleiben konnten - demzufolge machte ich mir auch immer bewusst: Ja bei dir stecken die Fehler. Ich kam gar nicht auf den Gedanken, dass die anderen auch "Leichen im Keller haben" könnten.
Durch meinen offensichtlichen Makel hatte die Gruppe immer einen "Trumpf" in der Hand. Ohne den Kontakt nach außen, erfährt man bei den Leuten ein völlig in sich stimmendes und richtiges Bild von Christsein und im Gegenzug dazu, dass sich alle anderen auf dem "breiten Weg" befinden.