Sind Sekten gefährlich?
Auszug aus dem Endbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" des Deutschen Bundestages 1998:
In den letzten 30 Jahren haben sich einige neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen in bestimmten Perioden oder dauerhaft als konfliktträchtig erwiesen, andere sind es noch jetzt. Hier ist anzumerken, dass Konflikte interaktiv sind und beidseitig bedingt sein können . Diese Konfliktpotentiale lassen sich schematisch wie folgt gliedern:
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Konflikte mit der gesellschaftlichen Ordnung. Wenn Gruppen Veränderungen anstreben, die mit dem demokratischen Rechtsstaat nicht vereinbar sind, z. B. die Aufhebung der Gleichheit der Geschlechter und aller Menschen durch die Einführung eines Kastensystems, Aberkennung der Bürgerrechte für die Menschen, die nicht den Prinzipien der Gruppe entsprechen, so ist dies ein Problem. Solche Lehren und eine daraus ggf. entspringende Praxis sind äußerst konfliktträchtig.
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Konflikte mit bestehenden Gesetzen. Verschiedene Prozesse haben gezeigt, dass einige Gruppen das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht nicht beachten oder gar gezielt zu umgehen versuchen, bzw. versucht haben. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen einzelne Gruppen mit den Steuergesetzen und dem Strafrecht in Konflikt geraten sind. Es wurde in der Kommission kriminogenes Verhalten angesprochen, wenn Gruppen ihre Mitglieder zu rechts- und sittenwidrigem Handeln anleiten, bzw. ein solches legitimieren. Inwieweit es sich im Einzelfall um organisierte Kriminalität handelt, kann von der Enquete-Kommission nicht festgestellt werden, sondern muss weiterhin Aufgabe staatsanwaltlicher Ermittlungen sein.
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Einige Gruppen sind konfliktträchtig, da sie in ihrer inneren Struktur totalitäre Machtverhältnisse aufweisen und die verfassungsmäßigen Rechte ihrer Mitglieder einschränken oder beseitigen. Diese Machtstrukturen sind verbunden mit einer starken "Milieukontrolle", z. B. durch Desinformationen nach innen, mit einem extremen Leistungsprinzip mit "jenseitigen Vergütungen", mit einem Personenkult usw.
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Als Ursache von Konfliktträchtigkeit können auch die in den Gruppen vertretenen Lehren gelten, wenn diese verbunden sind:
- mit einer Ideologisierung in Richtung Erfahrungslosigkeit,
- mit einer Simplifizierung der Realität bis hin zum Realitätsverlust,
- mit einer dadurch herbeigeführten Immunisierung gegen Erfahrung und Kritik,
- mit einem absoluten und exklusiven Wahrheitsanspruch, der die Möglichkeit eines eigenen Irrtums nicht einräumt und durch den Wahrheitsgrenzen zwischen der Innengruppe und der Außenwelt aufgerichtet werden,
- mit einer nur für die Innengruppe geltenden Moral, die zugleich die moralischen Normen im Umgang mit anderen aufhebt,
- mit einem "psychotechnischen" Denken usw.
- Es treten Verständigungsschwierigkeiten mit der sozialen Umwelt auf, die zumindest zu Belastungen, wenn nicht gar Störungen mit der Gesellschaft führen (kognitive und moralische Dissonanzen)
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Einige Gruppen vermischen den religiösen Bereich mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit oder benutzen religiöse Ziele als Vorwand für wirtschaftliche und politische Ziele.
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Die Außenbeziehungen einiger Gruppen sind dann konfliktträchtig, wenn sie gekennzeichnet sind durch ein starkes Sendungsbewusstsein, welches die Rechte anderer nicht anerkennt, da sie grundsätzlich im Unrecht seien, durch einen Gruppenegoismus, der keine Verantwortung für die Umwelt übernimmt, durch Desinformation nach außen, durch sittenwidrige oder verdeckte Anwerbungsmethoden und durch Feindseligkeit gegenüber der Umwelt und gegenüber der rechtsstaatlichen Ordnung.
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Einige Gruppen sind konfliktträchtig, da sie einen Austritt von Mitgliedern und Anhängern unmöglich zu machen suchen und dadurch die Rechte ihrer Mitglieder, darunter auch die Wahl eines anderen Bekenntnisses, einschränken. Dies geschieht in einem "schleichenden" Prozess
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durch wirtschaftliche Maßnahmen: Die Mitglieder/Anhänger werden veranlasst um der Ziele der Gruppe willen, ihr Vermögen und ihre Lebenszeit in die Gruppe einzubringen (Abbruch einer Berufsausbildung etc.), sodass ein Austritt zu einem lebensgeschichtlichen Problem werden kann,
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durch soziale und sozialpsychologische Maßnahmen: Die Mitglieder/Anhänger werden veranlasst, alle anderen sozialen Beziehungen abzubrechen, sodass sie nach einem Austritt möglicherweise sozial völlig isoliert sind,
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durch ideelle Maßnahmen: Die Mitglieder/Anhänger werden dazu gebracht, Vorstellungen zu übernehmen, die in krassem Gegensatz zur sozialen Umwelt stehen, sodass bei einem Austritt eine psychische und kognitive Desorientierung eintritt,
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durch Maßnahmen, die umgangssprachlich "Psychotechniken" genannt werden.
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Konflikte treten auch auf, wenn untaugliche Leistungen, die nach menschlichem Ermessen nicht oder nur für die Führungselite eintreten können (Wohlstandsevangelium, Strukturvertriebe), übermenschliche Fähigkeiten (Fliegen), Heilungen usw. versprochen werden, diese Versprechungen aber nicht, nicht einmal zu einem Minimum verwirklicht werden können. Gravierend sind Konflikte, wenn derartige Leistungen verkauft werden.
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Ferner treten Konflikte auf durch eine von den Gruppen gezielt herbeigeführte Entfremdung von der Familie und anderen sozialen Beziehungen, durch Abbruch einer Ausbildung oder durch "Ausstieg" aus einem Beruf.
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Für Kinder können zahlreiche Konflikte dadurch entstehen, dass sie in eine Innengruppe hineinsozialisiert werden, die ihnen ein Leben in der sozialen Wirklichkeit unserer Gesellschaft erschwert oder gar unmöglich macht; auch werden Kinder in einigen Gruppen ihrer natürlichen Entwicklungsmöglichkeiten beraubt.
Quelle: Endbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" des Deutschen Bundestages, vom 9.6.1998, Bundestagsdrucksache 13/10950