Erfahrungen einer sächsischen Pfarrfamilie mit Angehörigen der Holic-Gruppe (1997)
Beim 27. Evangelischen Kirchentag in Leipzig (Anm.: 1997) begegnete meine Frau einem jungen Mann, mit dem sie "über Gott und die Welt" ins Gespräch kam. Er stellte sich selbst als sehr gläubig, bibelfest und kirchenkritisch dar. Seinen vollen Namen wissen wir nicht, nur seinen Vornamen, Matthias, und dass er aus Berlin kommt . Er bat meine Frau um unsere Telefonnummer , um sich vielleicht mal wieder zu melden. Meine Frau entsprach dieser Bitte.
Am folgenden Donnerstag kam der Anruf, Matthias wolle am Wochenende in den Harz zu Freunden und möchte bei uns auf der Hin- und auf der Rückfahrt Zwischenstation machen. Wir sagten zu. Am Freitag kamen drei junge Leute, die sich, da ich selber nicht dabei sein konnte, mit meiner Frau bis in die Nacht über Bibel, Glaube und Kirche unterhielten. Zunächst noch vorsichtiger, dann deutlicher machten sie klar, welche Stellung sie zur Kirche hatten. Sie behaupteten zwar immer wieder, keine Sekte zu sein, bezeichneten sich jedoch, aufgrund ihres Bruchs mit der Kirche, als die wahren Gläubigen und unterlegten dies immer wieder und sehr massiv mit Bibelzitaten. Der Abend verlief dennoch in recht freundlicher Atmosphäre.
Auf der Rückfahrt am Sonntag besuchten sie uns wieder und ich konnte sie nun selbst näher kennen lernen. Ihre Argumente wurden schärfer, besonders gegenüber meiner Frau. Sie meinten, anhand der Bibel selbst könne man nachweisen, dass die Kirche gar nichts mehr mit Jesus und seiner Botschaft zu tun habe, im Gegenteil, sie mache diese zunichte.
Wie wir in diesen Gesprächen herausbekamen, handelte es sich bei den beiden Frauen um ehemalige kirchliche Mitarbeiterinnen, die aufgrund von persönlichen Negativerlebnissen "mit Pauken und Trompeten" aus der Kirche ausgetreten sind. Sie hätten wohl in dieser Phase vom Landeskirchenamt Redeverbot bekommen und wären von ihrer Kirchgemeinde entlassen worden. Als Grund gaben sie ihre bibelzentrierte Verkündigung an.
Ihre Botschaft an uns war, wir wüssten doch, was in der Bibel steht und müssten doch aufgrund dieses Wissens um den Irrweg der Kirche diese verlassen. Im Gespräch mit meiner Frau wurden sie noch massiver. Sie wissen ja nun, dass die Kirche an aller Verdrehung der biblischen Botschaft schuld sei. Noch dazu sei meine Frau kirchliche Mitarbeiterin und mit einem Pfarrer verheiratet. Das heisst, sie bekommt von dieser Organisation auch noch Geld. Um gerettet werden zu können, müsse sie sich davon lossagen, sollte ich diesen Schritt nicht mitgehen wollen, müsse sich meine Frau eben von der Familie trennen (Hinweis auf Jesu wahre Verwandte!).
Meine Frau wies dies natürlich als abstrus zurück und distanzierte sich mit Nachdruck. Unsere Besucher erzählten, dass sie sich jedes Wochenende mit Gleichgesinnten an Autobahnabfahrten treffen und dann Freunde besuchten. Die Woche über gingen sie arbeiten und legten dann ihr Geld zusammen, um ein Auto (meist Transporter oder Kleinbus) zu mieten.
Nach dem Besuch am Sonntagabend verabschiedeten sie sich und versprachen "bei Gelegenheit" wiederzukommen. Diese Gelegenheit ergab sich am folgenden Freitag (4.7.). Nach mehrfachen Erklärungen meinerseits, wir seien an weiteren Kontakten nicht interessiert, stellte ich gegen 22.00 Uhr die Klingel ab, die Haustür war verschlossen. Gegen 22.30 Uhr klopfte es an der Wohnungstür. Unsere "Besucher" hatten sich ins Haus Eintritt verschafft, da sie im Hof so lange nach meiner Frau gerufen hatten, bis die Bewohnerin der Erdgeschosswohnung fragte, wer sie denn seien. Sie wären Freunde meiner Frau, aber man höre sie wohl nicht. Sie wollten sie besuchen. Gutgläubig schloss die Frau die Haustür auf.
Die Situation wurde nun für uns doch etwas unheimlich. Wir waren uns sicher, dass es sich um eine Sekte handeln müsse. Unklar war uns, wie sie wohl weiter vorgehen werden. Da wir drei kleine Kinder haben, entschlossen wir uns, uns auf keinerlei Diskussionen einzulassen. Ich machte den Eindringlingen mit aller Deutlichkeit klar, dass sie in diesem Haus unerwünscht seien. Sollten sie es nicht verlassen, sähe ich mich gezwungen, wegen Hausfriedensbruchs die Polizei zu rufen. Sie blieben außerordentlich freundlich, sie wollten nur meine Frau sprechen, sie solle ihnen selbst sagen, dass sie mit ihnen nichts zu tun haben will. Sie meinten, sie sei vom Bösen gefangen gehalten (Also von mir als Mitarbeiter der Kirche!), sie wüssten, dass meine Frau gern davon befreit sein wollte, aber ich würde den Kontakt unterbinden. Meine Frau war natürlich nicht bereit , mit diesen Leuten zu sprechen!
Dieses Gespräch zwischen mir und diesen Leuten verlief durch die geschlossene Wohnungstür. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass die beiden nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte waren. Ich vermutete den Einfluss von Alkohol oder Rauschgift, was andererseits ihren sonstigen Aussagen vom vergangenen Wochenende widersprochen hätte ("Pfarrer sind das Verderben der Lehre Jesu, aber am schlimmsten sind rauchende Pfarrer, die Alkohol trinken. Das allerschlimmste aber sind homosexuelle Pfarrer.") Vielleicht lag jetzt eine Art religiöser Wahn, eine gewisse geistige Umnachtung oder einfach ein krankhafter Befund vor? Ich wiederholte meine Drohung, die Polizei zu holen. Die Antwort: "Wir haben einen Dienst zu erfüllen, davon kann uns auch die Polizei nicht abhalten."
Die Polizei kam, die "Besucher" reagierten sehr nett, die Personalien wurden aufgenommen. Der Polizeimeister erläuterte ihnen nochmals die Rechtslage. Sie müssten bei erneutem Eindringen ins Grundstück mit einer Anzeige rechnen. Alles wurde verständnisvoll aufgenommen, die Polizei verwies sie des Hauses. Die eine Frau fragte den Polizeimeister (scheinbar geistesabwesend): "Hat Ihnen die K. (meine Frau) gesagt, warum sie uns nicht sprechen will?" Der Polizeimeister wies sie zurecht, dass er nicht dazu hier sei, die Gründe für das Nichterwünschtsein zu erläutern, sondern um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.
Am nächsten Morgen waren plötzlich 5 Leute dieser Gruppe auf unserem Grundstück und bemühten sich vergeblich, dies zu verbergen. Wie wir später erfuhren, hatten sie das Auto an einer abgelegenen Stelle im Ort abgestellt, von wo aus sie jedoch das Pfarrhaus gut beobachten konnten. Sie hatten im Buswartehäuschen geschlafen und morgens Kinder, die zum Bäcker wollten, oder draußen spielten, über uns, unsere Kinder und unsere Lebensgewohnheiten befragt. Wir empfanden dies als bedrohlich, vor allem für unsere Kinder, da wir nicht wussten, um was für eine Sekte es sich handelt, und wir trauten ihnen inzwischen auch Kidnapping und Erpressung zu.
An diesem Tag war ein Gemeindeausflug geplant, den wir auch durchführten. Die Gruppe hat sich noch den ganzen Tag in J. aufgehalten und Leute über das kirchliche Leben, die nächsten Gottesdienste und uns ausgefragt. Die Nacht zum Sonntag verlief ohne Zwischenfälle, auch die von mir erwartete Störung des Gottesdienstes am Morgen unterblieb. Am Montagmorgen klingelte jedoch ab 7.30 Uhr ununterbrochen das Telefon. Zuerst wurde meiner Frau (ich war in der Schule) mitgeteilt, um 15.00 Uhr käme man wieder, dann meldete sich niemand mehr, man ließ nur kurz anklingeln und legte dann auf. Die Nachbarn wurden ebenfalls am Telefon tyrannisiert. Der angekündigte Besuch fand jedoch nicht statt. Seitdem haben wir von diesen Leuten nichts mehr gehört.
Von Freunden erfuhren wir, dass sie vor einiger Zeit mit ähnlichen Methoden belästigt worden sind. Auch die Botschaft der Leute war dieselbe und diese hätten gesagt, sie hätten eine Niederlassung in Hausdorf an der Mulde (Nähe Colditz). Nach eigenen Aussagen haben sie ungefähr 40 Mitglieder oder Sympathisanten, vor allem auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Zentren scheinen Berlin und der Harz zu sein. Sie äußerten, auch "in der Nähe von Döbeln" gäbe es Freunde , ob damit Hausdorf gemeint ist , weiß ich nicht.