Negative Erfahrungen in der Gruppe
Häufig und sehr umfangreich wurde hier der Gruppendruck genannt. Man vermisste Individualität, Freiheit, Privatsphäre und Diskretion. Das betrifft sowohl das praktische Leben mit der obligatorischen Teilnahme an Gruppenaktivitäten, der fehlenden Zeit für private Dinge oder Erholung und dass man sich in der eigenen Lebensgestaltung den rigiden Gruppenregeln unterwerfen musste (z.B. in Bezug auf Fernsehen, nichtreligiöse Bücher…). Dazu gehörte auch, dass man keine eigenen Meinungen gegenüber der Gruppenmeinung vertreten konnte und sowieso kaum Zeit hatte, verschiedene Themen persönlich und unabhängig zu überdenken. Aber auch im religiösen Bereich beklagte man, dass die Pflege einer persönlichen Beziehung mit Gott als selbstsüchtig galt und religiöse Dinge vornehmlich in der Gruppe geschehen mussten.
Ein zweiter kritischer Punkt betrifft das Verhältnis zur Außenwelt. Die Vermeidung des Kontakts zu Außenstehenden wird im Rückblick als zu ängstlich erlebt. Besonders geschmerzt hat sie dabei die Verpflichtung, den Kontakt zu Eltern und Verwandten einzuschränken oder abzubrechen. Dies empfanden sie als lieblos und arrogant und haben auch selber darunter gelitten.
Eng damit zusammen hängt die allgemeine Erfahrung der Lieblosigkeit, die sich gegenüber „Sündern“ äußerte, aber auch die Erfahrung betraf, dass man in der Gruppe gewünschte Änderungen vor allem durch Druck und Angst herbeiführen wollte. Besonders der o. g. Blog „definition of love“ thematisiert das sehr ausführlich. In diesem Zusammenhang wurde auch angemerkt, dass es trotz der offiziell schwachen Hierarchie doch einige „ältere Geschwister“ gab, die sehr dominierend wurden.
Ein weiteres sehr häufig genanntes Thema war das allgemeine Gebot der Ehelosigkeit. Dies empfand man als unbiblisch und zu starken Eingriff in die Lebensentscheidung des Einzelnen.
An der Lehre der Gruppe wurde ein gewisser dogmatischer Tunnelblick kritisiert, der teilweise zum Fanatismus führte und als fragwürdiger Absolutheitsanspruch erlebt wurde. Das Denken geschah oft in Schwarz-Weiß-Kategorien: Gut-Böse, stark-schwach, gehorsam-ungehorsam. Das zeigt sich auch im Verhältnis zu anderen Konfessionen, wo man zu sehr darauf fixiert war, das Falsche in ihnen zu finden und so auch nicht bereit war, von anderen zu lernen.
Zu viel Wert wurde nach Ansicht der Ehemaligen auf Lebenspraxis und Aktivität gelegt, hinter denen Gnade und Gebet zurück traten: „Wir verkündeten oft unsere Lebensform anstatt Christus“. Einige kritisierten dabei auch, dass der Gehorsam Gott gegenüber häufig mit dem Gehorsam der Gruppe gegenüber vermischt wurde. Ebenso wurde die Gefahr erwähnt, dass die äußere Form den Inhalt verdrängt.
In diesen Kontext passt, dass die ehemaligen Mitglieder innerhalb der Gruppe keine Selbstkritik erlebt haben. Diese wurde zwar vom einzelnen Mitglied verlangt (also die Auseinandersetzung mit seinen persönlichen Schwachstellen), aber kritische Gedanken über die Gruppe an sich, ihre Lehre und Lebensform fand nicht statt. Kritik wurde mit Schlagworten (z. B.: „Du bist menschlich.“) abgewürgt. Dadurch entstand eine Form des Mitläufertums, bei der man auch dann nicht widersprach, wo man anderer Meinung war und Dinge mitmachte, von denen man nicht überzeugt war.
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