Zur Bewertung der verschiedenen Angebote sollen die folgenden Kriterien dienen:
- Unterschreiben Sie niemals vor Ort. Lassen Sie sich alle Unterlagen mit nach Hause geben, besprechen Sie diese mit Ihrem/r Partner/in. Sollten Sie keine Unterlagen ausgehändigt bekommen, oder wird Druck mit Hinweis auf das einmalige Angebot ausgeübt, ist äußerste Vorsicht geboten. Allgemein gilt: Wer schnelle Unterschriften haben will, sollte grundsätzlich langsame bekommen.
- Werden Sie sich zu Hause in aller Ruhe erst einmal darüber klar, was Sie von dem Kurs erwarten. Wollen Sie nur an einer einfachen Gesprächsgruppe teilnehmen, geht es Ihnen aber auch um Rückmeldungen aus der Gruppe oder können und wollen Sie sogar sehr intensive und stark labilisierende Selbsterfahrung verkraften? Ziehen Sie genaue Erkundigungen ein. Informieren Sie sich auch über die Größe der Gruppe. Manche Kursleiter glauben, selbst mit hundert und mehr Personen intensive Arbeit leisten zu können. Wenn das nicht Ihr Fall ist, sollten Sie sich die maximale Gruppengröße vorher schriftlich zusichern lassen.
- Welche - billigeren, risikoärmeren - Alternativen gibt es, um zu dem gewünschten Effekt zu kommen? Wie sehnsüchtig nach Be- und Verzauberung, nach Selbstaufgabe und Verschmelzung sind Sie? Ist Ihnen die Schattenseite dieser Sehnsucht bewusst und können Sie diese irgendwo risikoärmer befriedigen?
- Viele Psychokurse zielen darauf, Sie aus Ihren gewohnten Verhaltensweisen zu lösen und für neue Erfahrungen zu öffnen. Besuchen Sie jedoch auf keinen Fall einen Kurs, wenn Sie große psychische Probleme haben oder sich ohnehin „labil" fühlen. Die Gefahr, dass es Ihnen hinterher noch viel schlechter geht, ohne dass der Kursleiter Sie therapeutisch auffängt, ist zu groß. Falls Sie in ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung sind, ziehen Sie auf jeden Fall Ihren Arzt oder Therapeuten vor der Anmeldung zu Rate.
- Sind Sie unsicher, ob Sie therapeutische Hilfe benötigen, wenden Sie sich zunächst an eine kommunale oder kirchliche Beratungsstelle. In vielen Städten gibt es Verzeichnisse, in denen Sie auch die Adressen psychotherapeutischer Praxen finden, bei denen Sie ein (oft) kostenloses Beratungsgespräch bekommen können.
- Erkundigen Sie sich nach der Ausbildung und Qualifikation (wo; bei welchem Lehrer; wie lange dauerte die Ausbildung; womit wurde sie abgeschlossen; wie viele Jahre praktischer Erfahrung liegen vor?). Sie sollten sich und Ihre Psyche nicht Menschen mit nur einer „internen Ausbildung" anvertrauen. Ein Abschluss an einer deutschen Universität ist Mindeststandard. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn mit auffällig vielen vorgeblichen „Qualifikationen" der Eindruck besonderer Kompetenz erweckt werden soll. Überprüfen Sie sorgfältig die Titel, mit denen geworben wird. „Therapeut" ist kein geschützter Begriff und sagt über eine Ausbildung überhaupt nichts aus. Ein wichtiges Kriterium für Inseriösität sind Phantasietitel, hinter denen keine staatliche Anerkennung steht: z. B.: Dipl. Lebensberater, Dipl. Kosmologe, Mentaltrainer.
- Wenn damit geworben wird, dass man nach dem Kurs ein Abschlusszertifikat erhält: Wird es auch außerhalb des Esoterik- und Psychomarktes anerkannt?
- Führen Sie vor jeder Therapie, jedem Kurs ein Vorgespräch mit dem Therapeuten bzw. Trainer, um sich von ihm einen persönlichen Eindruck machen zu können. Dieses Vorgespräch hat kostenlos zu sein. Lassen Sie sich die Therapie, den Kurs erklären. Welche Therapieziele nennt das Angebot? Sind sie so klar formuliert, dass Ihr Erfolg oder Misserfolg überprüft werden kann? Sind die Ziele (z. B. für ein Wochenendseminar) realistisch?
- Was bleibt an realen Inhalten übrig
- wenn man alle "Show" wegnimmt?
- wenn alle Titel, die Lebensgeschichte des "Meisters" usw. wegfallen?
- ohne die "schönen Gefühle", die bestimmte Methoden oder Situationen in mir erzeugen?
- Welche Methoden und Verfahren werden angewendet? Werden sie überhaupt genannt? Besteht die Möglichkeit, über diese Methoden Informationen einzuholen, sind sie irgendwo kritisch überprüft? Rufen Sie den Veranstalter an! Aus der schriftlichen Kursinformation können Sie oft nur wenig entnehmen. Fragen Sie daher nach, wie der Kurs abläuft. Das ist auch deshalb so wichtig, weil Kursleiter häufig verschiedene Praktiken und Ansätze nach eigenem Gutdünken mischen, das aber gern mit einem bekannten Begriff bezeichnen. Das heißt: Auf den Kurstitel können Sie sich nicht unbedingt verlassen.
- Informieren Sie sich im Zweifelsfall bei Menschen, die das Seminar bereits gemacht haben. Verlassen Sie sich dabei nicht nur auf (in der Regel positive) Referenzen, die Ihnen der Anbieter nennt. Sollten ehemalige Teilnehmer einem Schweigegebot über das Seminar unterliegen, ist große Vorsicht geboten.
- Stehen die Methoden in einem spezifischen Zusammenhang mit den Zielen des Angebots? Oder tun sie nur einfach gut, wie z. B. Joggen, Gymnastik, Handauflegen oder sich mit jemandem aussprechen?
- Kann die therapeutische Methode durch Misserfolg in Frage gestellt werden oder liegen die Misserfolge prinzipiell an der Uneinsichtigkeit oder mangelhaften Kooperation des Patienten? Behauptet die Therapie, über Mittel gegen jedes Leiden zu verfügen? Forscht sie über Risiken, Nebenwirkungen und weiß sie darum, dass manchmal Therapien mehr schaden als nützen? Gibt es einen Hinweis auf „Kontraindikationen", also darauf, dass die Verfahren bei bestimmten körperlichen oder seelischen Krankheiten nicht angezeigt und sogar schädlich sind?
- Achten Sie bei Verträgen auf unzulässige Vertragsklauseln. Beispiele: „Bei einem Ausstieg aus dem laufenden Seminar entfällt jegliche Rückerstattung"
- Unwirksam ist auch die Klausel: „Der Teilnehmer erklärt mit seiner Anmeldung, dass er körperlich und geistig gesund ist und für sich die volle Verantwortung trägt. Er erklärt, dass er keinerlei Ansprüche an den Veranstalter geltend macht." oder: „Der Teilnehmer ist während des Kurses für alle seine Handlungen selbst verantwortlich." Hier wird die Haftung des Veranstalters für mögliche (z. B. gesundheitliche oder psychische) Schäden ausgeschlossen: Wer solche Klauseln in sein Anmeldeformular aufnimmt, rechnet anscheinend mit derartigen Vorfällen.
Wenn ein Seminarleiter andere Personen in einen Prozess psychischer Veränderungen führt, muss man von ihm erwarten, dass er selber die Risiken seiner Methoden für bestimmte Personen und Situationen einschätzen und angemessen auf entstehende Probleme reagieren kann. Diese Verantwortung darf nicht an die mit seiner Methode völlig unerfahrenen Kunden abgeschoben werden. (Oder unterschreibt man vielleicht beim Zahnarzt vor der Behandlung eine ähnliche Erklärung?)
Falls also eine solche Vertragsklausel auftaucht, sollte man besser die Hände von diesem Angebot lassen. - Misstrauisch sollte man auch werden, wenn bei Antritt des Seminars plötzlich Zusatzklauseln als Kursbedingungen unterbreitet werden,
- die nicht bei der Anmeldung vorlagen
- die nicht sachbezogen zum Kursinhalt und -Ziel sind
- die Personen-/Trainer-bezogen sind und die verlangen, die Verfügungsgewalt über sich selbst an Personen / Trainer abzugeben.
- Ebenso problematisch sind Geheimhaltungsklauseln. Sie wollen verhindern, dass Sie sich in kritischer Distanz mit Außenstehenden über die Kursinhalte austauschen können. (Sie haben übrigens rechtlich keine Wirksamkeit, sondern schüchtern nur ein, bzw. lassen alles als unerhört wichtig, vertraulich und "insiderhaft" erscheinen.)
- Ziehen Sie Erkundigungen ein, ob hinter einer Methode bzw. einem Anbieter ein anerkannter Fachverband steht, oder eine Sekte, ein Psychokult oder eine dubiose Psycho-Organisation. Mitunter deutet bereits der Veranstaltungsort auf eine solche Beziehung hin.
- Sogenannte Therapieführer können eine erste Informationshilfe sein, tragen häufig aber - gewollt oder ungewollt - zur Irreführung des Ratsuchenden bei. So werden in einem „neuen Therapieführer" Methoden beschrieben, die keine Therapien im engeren Sinn sind und auch Angebote von Psychosekten wie der Transzendentalen Meditation mit aufgenommen. Auch seriöse „Therapieführer" enthalten sich jedoch oft jeglicher Wertung und lassen die Therapeuten selbst, in der Regel in großer Begeisterung, ihre Therapien vorstellen. Hier gilt das Grundkriterium zur Beurteilung: kritiklose Begeisterung sollte misstrauischer machen als eine nüchterne Darstellung.
- Werden die Quellenangaben nach den Ursprungsautoren verschleiert? (Es gibt nicht das "absolut Neue") Sind die Quellen zugänglich und damit im Zweifelsfall überprüfbar?
- Erkundigen Sie sich vorher nach den anfallenden Kosten und vergleichen Sie die Preise. Eine Therapiestunde kostet heute in der Regel zwischen 40 bis 60 Euro. Tages bzw. Wochenendseminare für mehrere Hundert bzw. Tausend Euro für den Einzelnen, bei denen die Teilnehmerzahlen häufig in die Hunderte gehen, können nur den Schluss zulassen, dass kein angemessener Gegenwert geboten werden kann.
- Schätzen Sie das Verhältnis von Kosten-Aufwand-Nutzen ein: sowohl beim Veranstalter (Wie verhält sich sein nachprüfbarer Aufwand zur verlangten Teilnahmegebühr?) als auch für sich selbst (Lohnt das vermutliche Resultat den geforderten Einsatz an Zeit, Geld und Nerven?) Übernimmt Ihre Krankenkasse die Kosten oder müssen Sie für diese selbst aufkommen?
- Lassen Sie sich immer eine Rechnung bzw. Quittung ausstellen. Andere Finanzgebaren sind in jedem Fall unseriös. Zahlen Sie keine großen Summen im voraus.
- Seien Sie vorsichtig, wenn Ihre Teilnahme an einem Angebot mit der Mitgliedschaft in einer bestimmten Bewegung oder Organisation verbunden werden soll oder gar Mitgliedsbeiträge verlangt werden.
- Achten Sie darauf, ob über bestimmte Techniken und Praktiken in der Gruppe Ihr Intim- und Privatbereich (Achtung: Sexualität!) in einer Weise ins Spiel kommt, dass Abhängigkeiten zum Therapeuten, zur Gruppe bzw. einer Organisation entstehen können oder gefördert werden und Sie möglicherweise erpressbar werden.
- Wird der persönliche Lebensbereich durch das Seminar in unzulässiger Weise beeinflusst?
- Wird z. B. darauf gedrungen, den Ehepartner auch zu einer neuen Einsicht zu bringen, obwohl er/sie beruflich gar nichts damit zu tun hat?
- Wird die Familie als ein Hindernis gesehen oder negativ dargestellt, welches die neuen Wege angeblich nicht versteht und von der man sich lösen muss?
- Behalten Sie sich das Recht vor, jederzeit aussteigen zu können, wenn Sie kein Vertrauen mehr in die Arbeit des Kursleiters haben. Achten Sie darauf, ob ein Anbieter diesen Punkt von selbst anspricht oder wie er darauf reagiert, wenn Sie ihn ansprechen. Räumt er Ihnen einen Anspruch auf Teilrückerstattung der Kursgebühren bei Abbruch ein?
- Verzichten Sie niemals auf Ihren Verstand und Ihre Kritikfähigkeit. Vorsicht, wenn allein das Gefühl, die Emotion, „der Bauch" die Verantwortung tragen soll. Fragen Sie sich selbst:
- Gehe ich kritisch an die Inhalte heran?
- Bin ich blauäugig?
- Habe ich immer auch eine kritische Distanz zum "Meister"?
- Mache ich den Vortragenden selbst zum "Absoluten"?
- Lasse ich mich so vom Trainer beeindrucken, dass ich unkritisch werde?
- Richtet sich das Programm auf Veränderung der Persönlichkeit aus oder auf die Thematik?
- Behalten Sie immer Ihre persönlichen Papiere bei sich. Ausweis und Reisepass gehören nicht in fremde Hände.
- Einladungen zu kostenlosen Wochenenden oder Persönlichkeitstests sind erfahrungsgemäß lediglich Formen intensiver Werbung. Lassen Sie sich dadurch nicht blenden. Überweisen Sie nicht voreilig Geld.
- Bei Zweifeln hilft es oftmals, wenn Sie sich die Inhalte aller Telefonate, Besuche und Kontakte zu einer Gruppe aufschreiben. Das hilft später bei der Klärung.
Menschen- und Weltbild des Therapeuten
Eventuell steckt hinter den Methoden oder Therapien eine Religion/Weltanschauung, die mit Ihrer eigenen nicht vereinbar ist und auf die Sie sich nicht einlassen wollen. Zur weltanschaulichen Beurteilung bietet sich folgender Fragekatalog an:
- Welches Menschenbild ist in der Therapie erkennbar? Aus christlicher Perspektive ist entscheidend, wie in der Therapie die Leiblichkeit des Menschen gesehen wird. Herrscht in der Therapie ein Machbarkeitsglaube, der die Endlichkeit und Begrenztheit des Menschen ausblendet? Gibt es in der Therapie eine prinzipielle Abwertung von Leiden, Schmerz und Behinderung als „böse" oder „selbstverschuldet", so dass Erfahrungen von der Würde des Leidens ausgeschlossen werden?
- Wie soll die Heilung/Hilfe geschehen? Werden vom Therapeuten irgendwelche überirdischen/kosmischen/geheimen Kräfte ins Spiel gebracht? Bezieht er sich auf Methoden oder Informationen, die aus einer jenseitigen Welt offenbart sein sollen?
- Ist die Erklärung für den Wirkmechanismus einer Therapie nur innerhalb eines bestimmten Menschen- oder Weltbildes nachvollziehbar? Vereinbart sich dieses mit Ihrem eigenen Welt- und Menschenbild?
- Welche Auffassung vom Therapeuten ist erkennbar? Ist er Führer, Meister oder Medium von Kräften und Energien - und muss deswegen für die Folgen seines Handelns auch keine Verantwortung übernehmen - oder fehlbarer und verantwortlicher Mensch wie alle andern?
- Kann ich die Therapie anwenden, ohne mich von der (z. B. magischen) Weltanschauung, die hinter der Therapie steht, im Alltag beherrschen zu lassen?