Überwachung - Strafen - Ausschluss
Die Gruppe ist nicht bemüht, krampfhaft alle Leute zu behalten. Wer nach ihrer Meinung vom Glauben abgefallen ist, kann auch recht schnell ausgeschlossen werden. Dazu gehört in der Regel bereits, wenn man sich hartnäckig bestimmten Lebensregeln der Gruppe nicht unterwirft. Wenn jemand sündigt, habe er die Chance der Bekehrung. Begehe er aber danach die gleiche Sünde bewusst noch einmal, so gäbe es für ihn keine neue Gnade. Sie berufen sich dabei auf Hebr 6,4ff: "Denn es ist unmöglich, Menschen, die einmal erleuchtet worden sind, die von der himmlischen Gabe genossen und Anteil am Heiligen Geist empfangen haben, die das gute Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt kennen gelernt haben, dann aber abgefallen sind, erneut zur Umkehr zu bringen; denn sie schlagen jetzt den Sohn Gottes noch einmal ans Kreuz und machen ihn zum Gespött." Als bewusst Sündigen gilt dabei auch, wenn man die eigene Schuld nicht einsehen bzw. seine Handlung nicht als sündhaft anerkennen will - sich vielleicht sogar noch verteidigt.
In der Gruppe fühlt man sich füreinander verantwortlich und gehalten, die anderen zu beobachten und ggf. auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Ein ehemaliges Mitglied beschrieb es so: "Es ist eine Atmosphäre von ständiger Überwachung und Verdächtigung. Man nimmt sie allerdings nicht so wahr, sondern eher wie eine Familie oder Geschwister, die aufeinander aufpassen. Dass zu einer echten Liebe auch die Fähigkeit gehört loszulassen, habe ich erst später gelernt. "
Es gibt zwei Formen des Ausschlusses:
Der einfache Ausschluss findet statt, wenn jemand bewusst Sünden (bzw. was die Gruppe für seine solche hält) begeht, seine Schuld nicht eingesteht und sich nicht bekehren will. Diese hat aber noch die Chance der Bekehrung und der Rückkehr zur Gruppe.
Die "Entlassung" wird dann vorgenommen, wenn jemand von Gott abgefallen sei (oft mit einem eindeutigen Widerstand und heftiger Kritik gegen die Gruppe verbunden). Nach ihrer Ansicht handelt es sich dabei um eine sehr bewusste Sünde gegen den Heiligen Geist. Für einen "Entlassenen" gibt es keine Chance zu einer Rückkehr in die Gruppe.
Bei geringeren Vergehen werden einzelne Strafen verhängt. Allerdings wird dieser Begriff abgelehnt, sondern der Schuldige "trägt die Folgen seines Tuns". Wer z. B. gegenüber der Gruppe in einem Punkt unehrlich war, kann den Wohnungsschlüssel weggenommen bekommen, damit er seine Sünde versteht. Oder wer durch seinen Fahrstil sündigt, dem wird das Autofahren verboten.
Die verbleibenden Gruppenmitglieder lehnen jeden Kontakt zum ausgeschlossenen Mitglied ab. Die einzige Ausnahme bildet die Möglichkeit, dass der Ausgeschlossene reumütig zurück kommt und um die Wiederaufnahme bittet. Seine Begründung wird dann in der Gruppe akribisch geprüft, ob die Reue und Buße echt und ausreichend ist. Gegenüber dieser menschlichen Härte wird auf materiellem Gebiet meist fair gehandelt: Das ausgeschlossene Mitglied bekommt einige Zeit, um seinen Umzug zu organisieren und in der Regel auch eine gewisse Geldsumme.
Da der Ausschluss in der Regel gegen den Willen des Ausgeschlossenen erfolgt, bricht für diesen meist eine Welt zusammen. Er kann sich ein Leben ohne die Gruppe nur schwer vorstellen. Für ihn ist das Schlimmste eingetreten, was er sich nur vorstellen kann. In der Regel sucht er die Schuld bei sich selbst und lebt von der Hoffnung, wieder aufgenommen zu werden. Verzweiflung, Depression und zum Teil auch Selbstmordgedanken sind in dieser Phase durchaus vorhanden. Meist zieht der Ausgeschlossene allein in ein Zimmer oder eine kleine Wohnung. Solange der Wunsch nach Wiederaufnahme stark ist, vermeidet er den Kontakt zu anderen Ausgeschlossenen (sie könnten ja bereits abgefallen sein) und auch zu seinem früheren sozialen Umfeld (Familie, Freunde). Damit will er alles vermeiden, was eine Wiederaufnahme gefährden könnte. Da auch die verbleibenden Gruppenmitglieder keinen Kontakt mit ihm haben, lebt er sozial weitestgehend isoliert.
Seit ca. 2005 kann man von einer regelrechten Welle von Ausschlüssen sprechen. Über die Gründe dieser Ausschlusswelle, die ja auch den einstigen Gründer der Gruppe betroffen hat, kann man nur spekulieren:
- Es könnte sich um Machtkämpfe über die führende Rolle in der Gruppe handeln. (Gerade in Gemeinschaften, die offiziell Rangordnungen und Hierarchien ablehnen, entwickeln sich dann andere Mechanismen, um die interne Hackordnung zu finden - in der Holic-Gruppe z. B. die Vorstellung der "Älteren Geschwister" mit mehr Erfahrung - und damit auch mehr Einfluss.)
- Es könnten Versuche des Gegensteuerns gegen tatsächliche oder vermeintliche Liberalisierungstendenzen sein.
- Es könnte ein Versuch sein, die Gruppe stärker auf Richtung zu bringen und interne Diskussionen zu unterbinden. Auf die verbleibenden Mitglieder wirkt der erlebte Ausschluss eines anderen Mitglieds als abschreckendes Beispiel, was ihnen im Falle einer Abweichung drohen könnte. Man überlegt es sich dann doch stärker, ob man eine kritische Meinung äußern sollte.
- Es könnte die Folge von in der Gruppe vorhandenen Verschwörungstheorien sein.
- Es könnte sich um einen bei perfektionistischen Gruppe mitunter auftretenden Radikalisierungsschub handeln. In solchen Gemeinschaften kommt es eher einmal zum Streit um die wirklich reinste Lehre und ob der Lebensstil schon radikal genug ist.