Bericht von einer Werbeaktion in Herrnhut (1997)
Es ist schon einige Jahre her, da war ich (HCG) in der Jugend in Herrnhut. Von den Älteren gingen jedes Jahr einige zum Studium weg, hielten aber den Kontakt zu uns. Ein Mädchen war nach Berlin gekommen und hatte dort noch keinen Gemeindeanschluss gefunden. Weil sie im Posaunenchor mitgeblasen hat, fuhr sie mit zum Bläsertag. Auf diesem erzählte sie mir von einer Gruppe Christen, die es sehr ernst meinen, viel Bibel lesen und total interessant seien. Sie wollte von mir wissen, was ich davon halten würde. Ein Gefühl sagte mir, dass die Sache nicht ganz gesund war; dieses Gefühl äußerte ich. Sie wollte nicht, dass ich die Gruppe ungesehen verurteile. Ich interessierte mich für die Gruppe. Wir hatten ein schönes Bläserfest und viel Freude miteinander. Zu Hause erzählte ich mein Erlebnis.
Eine Woche später tauchte das Mädchen bei mir zu Hause auf und hatte zwei andere Mädchen dabei. Eine meiner Schwestern und ich gingen mit ihnen spazieren und setzten uns zu einem Gespräch in den Jugendraum. Dieses Gespräch empfanden wir beide als äußerst schwierig. Es drehte sich nur um theologische Fragen und wir saßen so beieinander, dass nicht jeder zu jedem Blickkontakt hatte. Meine Schwester und ich empfanden es ähnlich und es wuchs in uns die Überzeugung, dass wir es mit einer Sekte zu tun haben. An den Leuten dieser Sekte fielen uns sehr auf, dass sie alles gleich taten. Sie benutzten gleiche Formulierungen, gingen in gleichem Schritt, legten ihre kleinen Rucksäcke auf der gleichen Seite ab und nahmen die gleiche Sitzposition ein. Nach dem Gespräch waren wir beide (meine Schwester und ich) total fertig. Als die Sektenleute wieder zu uns kamen, musste meine Schwester sie abwimmeln, weil ich im Bett lag und mich krank fühlte. Nun passierte das Unverhoffte: Als die Leute weg waren ging es mir wieder sehr gut. Das Mädchen aus unserer Jugend war nicht mehr zu überzeugen, dass die Gruppe gefährlich sei.
Wir trafen die Leute dieser Gruppe danach noch einmal. Sie kamen zu unseren Großeltern auf ein kleines Dörfchen gefahren. Dort machten wir Bekanntschaft mit ein paar weiteren Leuten der Gruppe. Eine Frau im mittleren Alter mit Kind war dabei. Wir unternahmen einen Spaziergang. Eine Freundin und ein Vetter von mir spazierten mit. Die Gespräche gaben uns Gewissheit, dass wir mit diesen Leuten nicht einig werden konnten. Der Freundin machte ihre Gesprächspartnerin zu schaffen. Mein Opa erlöste sie, indem er der Sektenfrau ein Gespräch über die Landschaft aufdrängte. So entschlossen sich diese Leute dazu weiterzufahren. Mich faszinierte die Ausstattung ihres Kleinbusses. (alter, weißer Mercedes mit Kennzeichen von Reichenbach im Vogtland) In dem Kleinbus waren Schlafplätze und Gepäcknetze eingebaut. Das Mädchen aus meiner Jugend blieb in der Gruppe und brach den Kontakt nach hause ab. Bald erfuhr ich, dass sie in die Holic-Sekte geraten war.
Ein paar Jahre später traf ich das Mädchen aus meiner Jugend bei der Konferenz in Bad Blankenburg (2003). Sie war mit einer Anderen unterwegs. Wir hatten eine freundliche Begrüßung und gingen auseinander. Ich suchte die Konferenzleitung auf um ihnen zu sagen, dass jemand von den Holic-Leuten da ist; ob es genützt hat, weiß ich nicht.
Am nächsten Tag war ich mit dem Posaunenchor beschäftigt. Meine Frau wartete auf mich und stand in einem Hauseingang. Da wurde sie von zwei Leuten angesprochen. Sie wimmelte sie ab und erzählte mir davon. Wenige Augenblicke später trafen wir das Mädchen aus meiner Jugend wieder. Ich stellte ihr meine Frau vor. Beide waren sichtlich verblüfft, sich auf diese Weise wiederzusehen.
Danach traf ich das Mädchen nicht mehr. Von ihrer Familie erfuhr ich, dass sie bis heute (Ende 2006) in der Sekte ist.
entstanden in einem Referat im Fach Sektenkunde am Gnadauer Theologischen. Seminar Falkenberg
Name und Adresse des Verfassers sind bekannt