Einschub

Ende 2007 hatte ich die Möglichkeit, sechs prominente Mitglieder der Christen mit den Meinungen der ehemaligen Mitglieder zu konfrontieren. Die Konversation lief wie folgt:
Was geschah nach Erscheinen meiner soziographischen Analyse, das heißt in den letzten sieben Jahren?
- Es traten andere Probleme hervor. Vor allem in Bezug auf Veränderungen der Einstellung. Im Vergleich dazu trat die Lehre in den Hintergrund.
Gibt es Beispiele?
- Demut in den Beziehungen, die Beziehungen zwischen den Geschwistern, Liebe, Frieden, Verantwortung für die Gemeinschaft und unsere Zukunft, die Last des anderen Tragen, Liebe in der religiösen Gemeinschaft.
Was kann die sinkenden Mitgliederzahlen der Christen erklären?
- In Ungarn hat sie tatsächliche abgenommen. Jeder kann sich frei entscheiden.
Aus welchem Grund verlassen Mitglieder die Gemeinschaft?
- Sie haben einen anderen Weg gewählt. Sie sind an den Punkt einer nochmaligen Prüfung gelangt und haben einen anderen Weg gewählt.
- Ihr ursprünglicher Impuls war schwach geworden. Sie haben sich geändert, unsere Prinzipien sind dieselben geblieben. Jeder muss um Beharrlichkeit kämpfen.
- Und wir, die wir in der Gemeinschaft geblieben sind, müssen um das Verhalten der Leute kämpfen.
Auf welche Weise und wie oft haben sich diejenigen entfernt, die die Gemeinschaft verlassen haben?
- Auf verschiedene Weise. Und natürlich haben wir auch unsere eigenen Fehler.
- Wir hätten besser lieben sollen.
Was bedeutet der „Schwur“ wirklich? Ist es ein ewiger Schwur?
- Das ist eine persönliche Sache. Das macht jeder mit sich selber ab.
- ich habe den Schwur selber abgelegt. Es gibt dafür keine festgelegte Form.
- Wir nennen es auch die Entscheidung.
- Obwohl es eine persönliche Sache ist, teilen wir es mit den anderen.
- Ich habe mir vorgenommen, ehelos zu leben, als ich meinen Schwur ablegte.
- Man kann es [den anderen] sagen, wenn man sich entschieden und den Schwur abgelegt hat.
Wer ist gehorsam und wem gegenüber ist man gehorsam?
- Gott gegenüber.
- Und auch einander. Das muss sorgfältig bedacht werden, denn es meint nicht, dass man irgendjemandem Befehle geben kann.
Ich zitierte von den ehemaligen Mitgliedern: „Eine Weile verstand er es als Form des Gehorsams (Gott gegenüber), aber sogar zu dieser Zeit bemerkte er schon einige Spannungen 1) er bekam größeres Interesse an der weiteren Welt 2) er hatte das Gefühl, dass nicht alles ehrlich ist: Die Geschwister erklären, dass alle gleich seien, aber unter den Gleichen gab es zugleich einige Gleichere: die gehorsamer waren, älter, jene in Wien, welche die Ungarn nicht als unabhängige Gemeinschaft verstanden.“
- Interesse an der weiteren Welt zu haben, würde für einen katholischen Priester bedeuten, dass er beginnt, Yoga zu praktizieren oder an Reinkarnation zu glauben.
- Es gibt einen Vorwurf an uns, dass wir das Lesen verbieten, dass wir die Information kontrollieren. Wir versuchen herauszufinden, wer was will, wer was tun will.
Was ist falsche Lehre, wenn es keine schriftliche oder klar festgesetzte Lehre gibt?
- Es gab schon zu apostolischen Zeiten kein System von Lehrsätzen (Dogmen).
- Mit der Hilfe Gottes können wir feststellen: „Das ist eine Abweichung“.
Wie kann man von Kontinuität und Identität sprechen, wenn der Gründer und viele langjährige Mitglieder ausgeschlossen wurden?
- Gottfried ist nicht unser Gründer. Niemand von uns ist ein Gründer. Jesus ist der Gründer. Der Fall von Gottfried ist ein internes, intimes Thema.
- Das wichtigste ist, dass Gott uns liebt, und wir wären gleichgültig, wenn wir nicht bemerken, was das in jemandem bewirkt.
- Die ganze Sache hat weniger etwas mit der Lehre als der Denkweise zu tun. Das Bild von Gottfried hat sich in der Gemeinschaft verändert.
Ist es nicht merkwürdig, dass in Deutschland kaum jemand die Gemeinschaft verlässt oder ausgeschlossen wir und die Mitgliederzahl wächst?[1]
- Es scheint so, dass sie bessere Entscheidungen getroffen haben.
Ein ehemaliges Mitglied sagt über die Abwendung von der Welt: „Besuche zu Hause waren nicht verboten. Aber sie betonten den Mitgliedern gegenüber den richtigen Umgang mit der Zeit. Sie sagten Dinge wie: Wenn dir diese Leute zu Hause nicht länger helfen können und wenn die Eltern nicht aufgeschlossen sind, so sind Besuche zu Hause unnötig. Der Gemeinde anzugehören schließt einige schmerzvolle Trennungen ein. Ich erlebte, dass viele Mitglieder das Zuhause in ihrem Inneren vermissten und einige benutzten Tricks, damit sie einen Besuch zu Hause machen konnten. Weil es keine Leiterschaft gab, war niemand vorhanden, mit dem man darüber reden und um Hilfe in dieser Angelegenheit fragen konnte" stellte ein ehemaliges Mitglied fest.
- Wir sind in diesem Punkt alle ganz verschieden. Wir versuchen darüber zu beraten, wenn jemand Hilfe braucht. Es ist vorgekommen, dass wir die Verwandten von jemandem zum Arzt gefahren haben. All das kommt von emotionalen Kämpfen.
Ein anderes ehemaliges Mitglied sagt über Ehrlichkeit: „Ich empfinde die Gemeinschaft nicht als ehrlich. Es brachte einem Pluspunkte, wenn jemand viel raufte. Viele der Mitglieder dachten, dass das zu viel war. Auch ich bemerkte, dass das Mädchen, mit dem ich raufte, nicht nur eine Schwester, sondern auch eine attraktive Frau war. Wenn dabei ein Missbrauch geschah, diskutierten wir es. In vielen Fällen war es wirklich ein gutes, reines Spiel. Das Problem bestand darin, dass dies als Teil des geistlichen Gehorsams verstanden wurde (egal, ob ein Mitglied raufen wollte oder nicht). Bei einigen Gelegenheiten wurde es statt einer geistlichen Aktivität, wie z. B. den abendlichen Diskussionsrunden, durchgeführt.
- Es gab Zeiten, da hatte das Raufen größere Bedeutung. Im Wesentlichen ist es die Befolgung eines Beispiels.
- Für die Mehrheit der Mitglieder ist das Raufen eine Form der Kontaktaufnahme.
Aber hier und jetzt geht es nicht um das Raufen, sondern um Ehrlichkeit.
(keine Antwort)
Jemand anders sagt zur Bedeutung von Regeln: „Sie sollten eingestehen, dass es in der Gemeinschaft wirklich so etwas gibt wie die Aufstellung von Regeln. Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Liebe werden in der Gemeinschaft sehr hoch angebunden, aber ungeachtet dessen gab es einige, die nach Dominanz strebten und die unterdrückten, die diese Werte lebten. Viel mehr Dinge wurden zu Sünde erklärt, als wirklich sündhaft waren.“
- In Glaubensfragen hüten die älteren Geschwister die Mitglieder mit größerer Verantwortlichkeit, aber die Hauptsache ist, dass wir einander gehorchen. Wenn jemand glaubt, dass wir mehr Dinge als Sünde bezeichnen als wirklich sündhaft sind, so ist das ein Zeichen seines entstellten Wertesystems.
- Unter den ausgetretenen Mitgliedern gab es einige, die nach Dominanz strebten. Es braucht Zeit, damit wir uns eine Meinung über einen Bruder bilden können. Nicht jeder Bruder hat genügend Geduld, darauf zu warten und meint, wir würden nicht darauf reagieren.
Jemand anderes zur Frage der Institutionalisierung: „In gewisser Hinsicht war es sehr institutionalisiert, denn sie versuchten alles und jedes zu regulieren. Es gab unsichtbare Leiter, die besser gestellt waren und nach Dominanz strebten“
- Diese Regelungen sind nichts anders als der Rhythmus unseres Lebens. Dazu gehören das Morgengebet, das Abendgebet, aber in all dem gibt es einige Flexibilität.
Was geschieht mit denen, die sich auf einem bestimmten Gebiet als sehr begabt erweisen?
- Unser Ziel ist nicht, unsere Talente zu maximieren. Sie müssen in Einklang mit der Liebe und der Gemeinschaft gebracht werden. Das muss man jeweils individuell betrachten.
- Wir können nicht alle unsere Talente pflegen. Z. B. kann es wichtiger sein, sein Vaterland zu verteidigen als Klavier zu spielen.
- Ich war Schachspieler, und als ich ein Christ wurde, entschied ich, dass es wichtigere Dinge gab.
- Einer unserer jüngeren Bruder studierte, um Arzt zu werden. Das hätte bedeutet, dass er ständig erreichbar hätte sein müssen. Also entschied er sich, Zahnarzt zu werden, was nicht so große Verpflichtungen bedeutete. Aber natürlich ist die Harmonisierung in diesen Fällen nicht immer erfolgreich.
Zwei andere deutliche Kritikpunkte: „Ich hatte das Empfinden, dass das tägliche Beisammensein nicht ein entsprechendes Umfeld hatte. Wir erlebten nicht selber, was wir anderen gegenüber bei den Missionseinsätzen beschrieben, ich meine vor allem Liebe und Ehrlichkeit. Ich sprach das auch an, aber bewirkte kaum etwas.“ „Ich hatte das Gefühl, dass wir ständig irgendwo beschäftigt waren und keine Zeit für wichtige Dinge hatten. Zusammenleben und Anpassung waren weit davon entfernt, perfekt zu sein. Die wirkliche Frage war, ob diese Gemeinschaft wirklich liebevoll war. Und auch ob wir hätten tun sollen, was wir taten.“
- Die das behaupten, sind mit sich selbst uneins. Sie haben ihre Probleme nicht mitgeteilt.
- Ihre persönlichen Ziele unterscheiden sich von denen der Gemeinschaft.
- Es wäre wichtig zu verstehen, woher diese kritisch motivierten Bemerkungen stammen.
- Wer sich selbst nicht genügend kennt, soll die Schuld nicht bei jemand anderem suchen. Das muss betont werden.
- Vielleicht war diese Person Mitglied in einer unserer kleineren Gemeinschaften, wo die Liebe schal geworden war.
Sie werden sicher wissen, von wem ich das gehört habe: „Ich sah schlechte Sünden, aber hoffte, dass es korrigiert werden konnte. Das schloss Konkurrenzkampf ein, Unehrlichkeit, Selbstdarstellung, Arroganz, Tratsch und dass wir ausgiebig unseren Lebensstil und nicht den von Christus propagierten.“. Ich schrieb das nieder und schickte es per E-Mail allen Mitgliedern in jeder Stadt und in verschiedenen Sprachen.“
Wir haben unsere Fehler, da kann uns jeder anklagen. Aber es ist auch möglich, gemeinsam für Heiligkeit zu kämpfen. Wir haben in der letzten Zeit in diesem Punkt viel dazugelernt.
Da in vielen Berichten von Ausgeschlossenen die Ehe eine Rolle spielte, was können Sie zu dieser Beobachtung sagen: „Es wäre ehrlich, wenn wir zugeben, dass es nicht angebracht wäre, in dieser Zeit zu heiraten, aber wenn jemand will, dann kann er es tun. Wir wollten die Gemeinschaft nicht verlassen, wir wurden ausgeschlossen. Unsere Ehe war der einzige Grund für den Ausschluss. Es ist bezeichnend, dass sie uns nie als Ehepaar verstanden haben, sondern eher als eine Person, die unter dem schlechten Einfluss einer anderen Person (der Ehepartnerin) stand. Die Gemeinschaft befürchtete, dass die Schwierigkeiten des Familienlebens die Gemeinschaft auseinander bringen könnte. Es gab keine einheitliche Meinung. Ein älterer Bruder suchte nach einer Lösung.
- Es gab einige die einen ewigen Schwur geleistet hatten. Wenn sie ihn verletzten, haben sie sich selbst ausgeschlossen.
- Wir haben niemanden ausgeschlossen, nur weil er heiraten wollte. Aber es kann sein, dass einer von beiden einen ewigen Schwur geleistet hatte.
Und wenn das jemand nicht gemacht hatte?
- Wir haben ihn nicht ausgeschlossen, aber wir glauben, dass Gott ihn nicht zur Heirat ermuntert hat.
Wäre es nicht besser, klar den Zölibat zu erklären?
- Es ist nicht nötig, dass zu erklären, denn es ist für jeden einsichtig.
- Die Ehe ist nicht der Kern der christlichen Lehre.
Von vielen wurde die Frage aufgeworfen, ob sie wirklich wie die ersten Christen leben? Ebenso wurde gefragt, ob es überhaupt möglich ist, in der heutigen Welt so zu leben. „Es ist fraglich, ob wir wirklich beim Lesen der Apostelgeschichte verstanden, wie sie damals lebten. Aber wir glaubten es. Und z. B. beschäftigte uns die Frage nach der richtigen Gemeinschaft sehr stark. Ich war glücklich, eine Gemeinschaft gefunden zu haben, welche die Mängel der Zeit, in der wir lebten, benannte. Ich vertraute der Weisheit der älteren Geschwister. Ich glaubte, dass wir wie die ersten Christen lebten, auch wenn die 50-100 Seiten in der Bibel nicht exakt beschrieben, wie sie wirklich lebten. Es wurde auch nicht klargestellt, was die Führung durch den Heiligen Geistes ist und wen er führt: Das Individuum oder die Gemeinschaft.“
- Wir schauen nicht nur auf die ersten Christen, auch die Geschwister aus dem Mittelalter können erwähnt werden. Aber wir kopieren nicht. Die Kirche ist sowohl flexibel als auch beständig. Wir leben unter Menschen, aber wir leben nicht wie sie.
Das folgende könnte ich auch so sagen, aber ich zitiere: „Ich bemerkte eher einen Mangel in den Freien Künsten, Psychologie und Sozialwissenschaft, als ich die Lehre und Lebensform der Gemeinschaft untersuchte. Ich denke z. B. an Gruppensoziologie. Sie haben grundsätzliche Vorbehalte gegen die Psychologie an sich. Auch ein grundlegendes theologisches Wissen wäre hilfreich, aber ich dachte und denke, dass wir uns vor Theologie fürchteten, denn wir assoziierten Theologie mit institutionalisierten Kirchen. Wir eigneten uns theologisches Wissen mitunter laienhaft, auf amateurhafte Weise an.
- Ich unterrichte psychologische Themen. Diese Wissenschaft lehrt uns wichtige Dinge über den Menschen, aber die Liebe steht darüber.
- Auch wenn Psychologie und Soziologie wertvoll sind, können sie nicht die geistliche Dimension des Menschen erklären.
Wären Sie zu Gesprächen mit den Mitgliedern bereit, die ausgeschlossen wurden oder Ihre Gemeinschaft verließen?
- Wir haben uns von ihnen getrennt. Der Kontakt wurde abgebrochen. Wir halten uns an das, was Jesus sagte: „zuerst unter vier Augen…“ Wir haben versucht, mit ihnen zu sprechen. Da gab es eine Zurückweisung. Sie wollten ihre Trennung ausdrücken. Sie sind nicht auf dem rechten Weg. Wir müssen mit ihnen umgehen wie Jesus mit Heiden und Zöllnern umging.
Nicht eher wie Jesus mit der Samaritischen Frau umging?
(keine Antwort)
- Was Sie uns gefragt haben, war für uns nicht neu.
- Wir haben darüber diskutiert, aber intern untereinander. Wir müssen eine Veränderung von innen heraus erwarten. Wir müssen kämpfen. Darin liegt Hoffnung.
Die Worte „kämpfen“ („wir sind im Kampf“, der „Kampf“) sind die Worte, die sie heute abend am meisten erwähnt und am stärksten betont haben.
(keine Antwort)

Die Antworten der „prominenten Mitglieder, die in der Gemeinschaft geblieben sind“ erinnern zum einen an ihre erklärte Lehre, bestätigen aber zum anderen weitgehend die Diagnose der ehemaligen Mitglieder. Das bestürzende Ausmaß der Unterschiede in den Äußerungen beider ist auffällig: das ausweichende Antworten von Seiten der prominenten Mitglieder im Gegensatz zur differenzierten Sichtweise der ehemaligen Mitglieder. Ein anderer auffälliger Unterschied besteht in der selbstsicheren Verteidigung „derjenigen innerhalb des Feldes“ mit einer perfektionistischen Mentalität, und der verfeinerten, analysierenden, Erklärungen suchenden Haltung der Ausgeschlossenen.

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[1] Anmerkung des Übersetzers: Auch in Deutschland sind mir eine Vielzahl von Austritten und vor allem Ausschlüssen bekannt.

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