Priesterbruderschaft St. Pius X.

Ursprung/Geschichte: Der traditionalistische Bischof Marcel Lefebvre (1905-1991) gründete 1970 im Zuge seiner Ablehnung zentraler Beschlüsse des 2. Vatikanische Konzils die Priesterbruderschaft als einen Priesterorden mit eigenem Priesterseminar innerhalb der kath. Kirche. Nachdem er 1976 Priesterweihen ohne Erlaubnis gespendet hatte, wurde er suspendiert. 1988 weihte er ohne Genehmigung des Papstes vier Bischöfe, um den Fortbestand seiner Gemeinschaft zu sichern. Damit hat die Bruderschaft die volle Gemeinschaft der kath. Kirche verlassen.  In Reaktion auf diesen schismatischen (= kirchenspaltenden) Akt wurden er und die vier geweihten Bischöfe exkommuniziert (= Aus der kath. Kirche ausgeschlossen) [Text des Motuproprio auf deutsch]. Diese Exkommunikationen wurden im Jan. 2009 von Papst Benedikt XVI. wieder aufgehoben. Dies bedeutet jedoch noch keine Rehabilitierung der Bruderschaft oder ihre Wiedereingliederung in die kath. Kirche. Die der Bruderschaft angehörenden Bischöfe und Priester sind nach wie vor suspendiert, d. h. ihnen ist die Ausübung der Weihegewalt untersagt. Die Bruderschaft selbst steht nach wie vor nicht in der vollen Gemeinschaft der Katholischen Kirche. Ein Urteil des OLG Köln von 1992 (12 U 160/91) aufgrund einer Klage des Erzbistums Köln untersagt es der Bruderschaft folgerichtig, ihre Einrichtungen und Veranstaltungen als "römisch-katholisch" zu bezeichnen.
Im Laufe der Zeit gab es zahlreiche Abspaltungen und Austritte. Am bekanntesten ist die wieder mit Rom verbundene Priesterbruderschaft St. Petrus. 2012 wurde der Bischof Richard Williamson ausgeschlossen, der die Piusbruderschaft des "Liberalismus" und Verrats am Erbe des Gründers bezichtigt. Er sammelt eine derzeit (2013) sehr überschaubare Zahl radikaler Traditionalisten um sich, lehnt aber derzeit (2013) noch die Gründung einer eigenen Gemeinschaft ab..

Lehre: Sie sehen die röm.-kath. Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) in einem Weg des Abfalls vom wahren Glauben. Über Benedikt XVI. sagt de Mallerais, einer der illegal geweihten Bischöfe der Pius-Bruderschaft: "Der jetzige Papst ist ein wirklicher Modernist, er vertritt die gesamte modernistische Theorie, und zwar auf dem neuesten Stand von heute! Noch als Dozent Joseph Ratzinger lehrte er tatsächliche Häresien." (Fideliter, September-Oktober 2008)

Insbesondere lehnen sie ab:

  • die Liturgiereform: Sie feiern die Hl. Messe nach dem bis 1962 gebräuchlichen tridentinischen Ritus. Den jetzigen Messritus empfinden sie als zu protestantisch und entsakralisiert. Während sie für sich die Toleranz der röm.-kath. Kirche fordern, dass auch deren Anhänger ihre Messe besuchen dürfen, vertreten sie die Meinung, dass ein Besuch der Hl. Messe im neuen Ritus kaum möglich und sündhaft sei.
  • die Ökumene: Nach ihrer Meinung kann die kath. Kirche als die einzig wahre nicht auf gleicher Stufe mit anderen christlichen Gemeinschaften sprechen, sondern diese nur zur Rückkehr in die wahre (kath.) Kirche aufrufen.
  • die Religionsfreiheit: Nur die Wahrheit (der kath. Glaube) könne Rechte für sich beanspruchen. Der Staat könne andere Konfessionen und Religionen aus praktischen Gründen dulden, müsse aber vor allem die kath. Kirche fördern und ggf. gegen andere Religionen und Weltanschauungen schützen. Als positives Beispiel wird die spanische Verfassung unter der Diktatur Francos angeführt: Die private Gewissensfreiheit wurde respektiert, aber die öffentliche Ausübung nicht-katholischer Religionen verboten.
  • den interreligiösen Dialog: Ähnlich wie bei der Ökumene wäre die einzige Form des Gesprächs mit anderen Religionen die Mission, um diese zur Bekehrung zum kath. Christentum zu bewegen. Deshalb werden z. B. das Friedensgebet der Religionen in Assisi wie auch der Besuch von Papst Benedikt in der Istanbuler Moschee von ihnen scharf kritisiert. Der Dialog mit den Juden wird unter dem Hinweis abgelehnt, dass diese "des Gottesmordes mitschuldig (sind), so lange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren." (Franz Schmidtberger, Distriktoberer für Deutschland, Brief an die Bischöfe 12/2008)
  • die Kollegialität der Bischöfe: Nach ihren Vorstellungen sind die Prinzipien von Leitung, Autorität und Unterordnung gottgegeben und gelten sowohl für die Kirche (mit dem Papst als Oberhaupt) als auch die Familie (mit dem Mann als Oberhaupt, dem sich die Frau unterzuordnen hat). Ihre politischen Vorstellungen laufen in Richtung eines kath. dominierten Gottes- und Ständestaats.

Richard Williamson, bis 2012 einer der Bischöfe der Priesterbruderschaft, geriet Anfang 2009 in die Kritik, als er in einem Interview für einen schwedischen Fernsehsender die Existenz der Gaskammern in den KZs leugnete und meinte, dass in den KZs der Nationalsozialisten nur maximal 300.000 Juden umgekommen seien. Diese Aussage war Anlass für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Regensburg wegen Holocaust-Leugnung. Nachdem diese Äußerungen großen öffentlichen Wirbel verursacht hatten, hat sich die Priesterbruderschaft von diesen Aussagen distanziert. Am 4.10.2012 wurde Bischof Williamson wegen seiner Weigerung, sich der Leitung der Priesterbruderschaft unterzuordnen, aus der Priesterbruderschaft ausgeschlossen.

Die Piusbruderschaft erkennt den jeweils amtierenden Papst an. Sie versucht also einen Mittelweg zwischen der von ihr als modernistisch eingeschätzten "Konzilskirche" und den Sedisvakantisten, welche die Meinung vertreten, es gäbe derzeit keinen rechtmäßigen Papst.

Lebensweise:  Die Priester der Bruderschaft leben in kleineren Priestergemeinschaften in Prioraten (in etwa vergleichbar mit  Pfarreien) und unterhalten dort ein Gemeindeleben für die ihnen verbundenen Gläubigen. Sehr stark wird die Spiritualität vom Besuch der Hl. Messe im traditionalistischen Ritus, Rosenkranzgebet, Andachten und Wallfahrten geprägt. Theologie und Ethik sind extrem konservativ geprägt. Es herrscht ein dualistisches Weltbild vor. Die Welt außerhalb der eigenen Gemeinschaft wird im Stadium des Zerfalls und Untergangs empfunden, weshalb man klare Distanz wahren solle. Bedenklich sind diese Züge der Selbstisolation, wenn z. B. ein damaliger Bischof der Bruderschaft, Richard Williamson am 2.9.06 auf einer Wallfahrt erklärte: "Die Familien sollten – wenn es irgendwie möglich wäre – zusammenkommen, um sich einander zu unterstützen. Damit die Kinder mit anderen katholischen Kindern, natürlichen Kindern anstatt verdorbenen Kindern, spielen können. Kann ich meinen Kinder erlauben, mit den anderen Kindern von heute ihre Zeit zu verbringen, die in allen Dingen auf dem Laufenden sind, auf dem „Laufendsten“ in Sachen Internet und Fernsehen und Nintendo und all diesen Dingen? Als gute Mutter kann ich es kaum erlauben." An anderer Stelle fordert er: "Zuhause darf es höchstens ein Videogerät geben, der Fernseher muss raus! Der Fernseher muss raus! Der Fernseher muss raus! ... Diese Maschine ist verhängnisvoll und stellt einen großen Teil der modernen Verbildung dar." (Predigt am 28.6.2008 in Zaitzkofen, hier zitiert nach: Mitteilungsblatt, 11/2008, S. 12)

Verbreitung: In Deutschland sind sie vor allem im süddeutschen Raum und im Rheinland verbreitet. Im Osten Deutschlands existiert nur ein Priorat in Berlin, von wo aus auch der Gottesdienstort in Dresden betreut wird (Stand 2013). Dieser befindet sich in einem Hinterhaus in Dresden-Löbtau, wo eine kleine Kapelle eingerichtet wurde.  Weltweit gehören zur Pius-Bruderschaft ca. 460 Priester (Deutschland: ca. 50). Die Gottesdienste werden weltweit nach ihren Angaben von ca. 150.000 Gläubigen besucht. Verglichen mit der Anzahl der Katholiken von ca. 1,1 Mrd. weltweit entspräche das einem Anteil von 0,01 %.

nahestehende und Unterorganisationen, andere Namen:

  • Katholische Jugendbewegung (KJB)
  • Eucharistischer Kinderkreuzzug
  • Civitas-Institut
  • Katholische Ärztevereinigung St. Lukas
  • St. Petrus Canisius Werk e.V. (Zeitschrift: "Kirchliche Umschau")

Weitere Informationen
Selbstdarstellung
kritische Informationen:

Literaturempfehlung:

Wolfgang Beinert (Hg.); Der Vatikan und die Pius-Brüder: Anatomie einer Krise; Herder-Verlag, Freiburg 2009, 1. Aufl.; 258 Seiten; ISBN: 3451302799; Preis: 14,95 Euro (Stand 2009)
Der Band dokumentiert zunächst die für die aktuelle Diskussion zentralen kirchlichen Texte. Danach diskutieren namhafte Theologen insbesondere über die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Rolle des Papstes sowie die kirchenrechtlichen und systematisch-theologischen Hintergründe.
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Alois Schifferle, Die Pius-Bruderschaft: Informationen - Positionen - Perspektiven, Butzon & Bercker 2009, 400 Seiten, ISBN: 3766612816; Preis: 29,95 Euro. Sehr umfangreiche Abhandlung über Geschichte und Theologie der Piusbruderschaft mit ausführlicher theologischer Darlegung des unterschiedlichen Verständnisses von Tradition in Kirche und Piusbruderschaft