Ermahnung und Liebe (2000)

In einer dem Herausgeber zugespielten Abhandlung versucht die Gruppe, ihr Verhältnis zum Thema "Ermahnung" - "Richten" - "Urteilen" darzulegen:

Je fester jemand in der Sünde verstrickt ist, desto unangenehmer ist ihm die Ermahnung. Gottes Wort kennt nicht nur keinen Gegensatz zwischen Ermahnung und Liebe, sondern lehrt, dass Ermahnung ein Ausdruck der Liebe sei.

Jesus zitiert das Hauptgebot der Nächstenliebe aus Lev 19,18. In Lev 19,17 wird Zurechtweisung erwähnt, nicht etwa als Alternative zur Liebe sondern als Alternative zum Hass, den man gegen seinen Nächsten nicht im Herzen tragen soll.

Gibt es nun aber nicht Stellen im NT, die die Notwendigkeit der Mahnung bestreiten?
1 Joh 2,27 sagt, dass die Salbung (= Geist) uns belehrt.
Hebr 8,10-11 (Jer 31,33-34) ist noch konkreter: "Und nicht wird ... ein jeder seinen Bruder lehren und sagen: Erkenne den Herrn!"
Doch wenige Briefe im NT haben so viele Mahnungen und sogar scharfe Warnungen wie der Hebräerbrief. Daher ist klar, dass Hebr 8,10-11 nicht gegen Mahnung sprechen kann. Vielmehr wird hier der Unterschied zwischen dem Alten und Neuen Testament angesprochen. Im AT gab es im Gottesvolk auch Menschen, die nicht Gott dienten, weil ja Gottes Gebot für das ganze Volk zugleich staatliches Gesetz war. So mussten auch Menschen, deren Herz anderswo als bei Gott war, äußerlich dem Gottesvolk angehören. Schon die exilische und nachexilische Gemeinde, die Jeremia zunächst im Auge hat, bildet den Übergang zur Situation im NT. Juden, die Jahwe nicht dienen wollten, konnten nach 538 in Babylon bleiben. Es war also hier schon, zumindest vorübergehend der Übergang zur freiwilligen Gemeinschaft der Menschen gegeben, die Gott dienen wollten. Alle Glieder des neutestamentlichen Gottesvolkes erkennen Gott und Jesus Christus. Das meint Hebr 8 und auch 1 Joh 2.

Die Notwendigkeit der Ermahnung findet im NT aber reichlich Erwähnung. Wichtig ist das Abschiedswort Jesu in Mt 28,20. Jesus befiehlt nicht etwa nur, alles zu lehren, sondern alles zu halten (griech. terein) lehren. Da "halten lehren" keine Momenthandlung, sondern ein länger dauernder Vorgang ist, bezieht sich dieser Satz also nicht nur auf das Christwerden sondern auch auf das Christsein.

Die Ermahnungen in den Briefen richten sich natürlich stets an Christen, ebenso die Aufforderung zum Ermahnen. Wichtige Stellen über Ermahnen findet man in:

  • Mt 18,15-18
  • Apg 20,31
  • Röm 12,1.8; 15,14
  • 1 kor 14,3.31 (Ermahnen als wesentlicher Teil der prophet. Rede)
  • Phil 2,1 (Ermahnen in Zusammenhang mit Liebe und Gemeinschaft)
  • 1 Thess 2,11; 4,10; 5,14
  • 2 Tim 4,2
  • Tit 2,15
  • Hebr 3,13; 10,24-25 (mit besonderem Nachdruck)
  • 1 Petr 5,1-2
  • Jud 3
  • Gal 6,1
  • In Hebr 3,12-13 wird Ermahnung als notwendig bezeichnet, um Verhärtung und Abfall zu verhindern. Hier ist von täglicher Gemeinschaft die Rede.
  • In Hebr 10,25 wird ebenfalls die Mahnung, die ja Sinn der Versammlung ist, zu deren Teilnahme direkt aufgefordert wird, der Gefahr des Abfalls entgegengestellt.