Problematische Angebote bei Persönlichkeitsseminaren
Verstärkt bekommen Firmen Seminare angeboten, welche die Persönlichkeit der Mitarbeiter positiv beeinflussen sollen. Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen, dienen folgende Prüfpunkte. Sie beschränken sich auf die Auswahl an Informationen, die Sie einholen können, ohne teilzunehmen. Das spart Ihnen Zeit, Geld und Nerven. Ergänzend können die Kriterien zur Beurteilung von Psychokursen dienen.
- Sie erleben ein anmaßendes Auftreten bei der Akquisition.
- Sie schildern Konflikte und erhalten destruktive Lösungsvorschläge.
- Sie entdecken in den Anmeldeblättern auch Fragen nach der psychischen Stabilität von Teilnehmern und/oder einen Haftungsausschluss für psychische Schäden.
- Sie erkundigen sich vergeblich nach Informationen über Methoden.
- Frühere Teilnehmer unterliegen einem Schweigegebot.
- Sie vermissen eine anerkannte Qualifikation der Trainer für persönlichkeistverändernde, also therapeutische Eingriffe.
- Sie erkennen an den Regeln bzw. Befehlen für das Seminar, dass sich die Teilnehmer den Trainern vollständig unterwerfen müssen.
- Sie erfahren, dass für die Teilnehmer ein Kommunikationsverbot besteht: untereinander und zur Außenwelt.
- Sie finden Hinweise für systematisches Auspowern: körperliche Höchstleistungen, reduziertes Essen und Schlafmangel.
- Es wird ein sehr starker Druck zur Teilnahme an diesem Seminar ausgeübt, so dass praktisch keine freie Entscheidung mehr gegeben ist.
- Sie bekommen "völlig veränderte" Teilnehmer zurück, die an einen "Durchburch" glauben, aber kein konkretes Beispiel dafür bennen können: Inszenierte Euphorie am Ende des Trainings, mit der sich Folgeaufträge angeln lassen.
- Sie wundern sich über erniedrigende und entblößende "Übungen", die seelische Narben brutal aufreißen und geöffnet liegen lassen; oder Sie hören statt dessen die allseits geschätzte Formel: "Das kann man nicht erklären, das muss man erleben!"
Um die zehn Punkte zu prüfen, brauchen Sie eine Menge Zeit. Vielleicht tröstet es Sie, wenn Sie bedenken, dass dies aber zur ganz normalen Qualitätssicherung gehört.
aus: Steven Goldner, Quälerei statt Qualität? in "Das Parlament", 21.8.1998