Die „Christen“ am Ende des zweiten Jahrzehnts ihrer Geschichte

In den 90er Jahren[1] wurde die sogenannte „Dunaföldvár Sekte“ (auch bezeichnet als Dunaföldvár Christen oder Holic-Gruppe) als eine der gefährlichsten Sekten in Ungarn dargestellt. Ungeachtet der Tatsache, dass auch Berichte[2] über sie erschienen, die Ängste und Legenden widerlegten, wurden sie mit dem Etikett „destruktive Sekte“ versehen. Wenn wir außerdem berücksichtigen, dass polizeiliche Nachforschungen über ungarische „Sekten“ sich in dieser Zeit vor allem mit dieser religiösen Gemeinschaft beschäftigten[3], ist es nicht erstaunlich, dass sie sich seit Frühjahr 2000 – bis auf ihre missionarische Aktivitäten - aus der Öffentlichkeit zurückzogen.[4] Sie nahmen mit mir als einem Religionssoziologen, der sich mit neuen religiösen Bewegungen beschäftigt, im April 2000 Kontakt auf. Sie boten mir an, dass sie mir – wenn ich Interesse hätte – alles über sich erzählen würden. Ich verbrachte über 50 Stunden bei ihnen. Ich diskutierte mit ihnen (Ich tauschte mich mit ihren gegenwärtigen wie auch ehemaligen Mitgliedern sowohl in Gruppensitzungen als auch unter vier Augen aus). Ich traf die Eltern von Mitgliedern und nahm an Wochenendtreffen teil, bei denen auch nichtungarische Gruppenmitglieder anwesend waren Zwei Drittel der ungarischen Mitglieder füllten einen eineinhalb Seiten langen Fragebogen aus. Ergänzend zu den Inhalten, die auf ihrer Homepage (die im Frühling 2000 eingerichtet wurde) stehen, schrieben sie einiges zu ihren Lehrinhalten nieder, womit ich unabsichtlich zur Entwicklung ihrer „verschriftlichten Aussagen“ beitrug.

Es war allgemein nicht leicht, einen authentischen Bericht über eine religiöse Gemeinschaft abzugeben,
1) die noch kaum institutionalisiert war, sondern sich gerade in der Periode einer organisierten Bewegung befand und wo die Mitglieder ständig betonten, dass sie überhaupt kein Interesse an einer Institutionalisierung hätten.
2) in der es keinen offiziellen Leiter oder Sprecher gab,
3) die bis dahin keine schriftlichen Abhandlungen besaß[5],
4) die nicht einmal einen richtigen (offiziellen) Namen hat, sondern die sich Christen, eine Gemeinschaft von Christen, eine christliche Gemeinschaft nannten, und die sich auf ihrer Homepage[6] als Christenbezeichneten. Diese Bezeichnung war zum einen demütig (sie sind nur einfache Christen) als auch provokativ (Sie sind die wahren Christen mit einem großen C).

In soziologischer Sicht ist diese religiöse Gemeinschaft eine traditionelle christliche Sekte[7], die schon immer in Form einer Bewegung von kleinen Gemeinschaften wirkte. Ihre Lehren und ihre Lebensweise haben sich bis heute entwickelt, obwohl sie zunehmend verfestigt werden. Ein charakteristisches Merkmal dieser religiösen Gemeinschaft war (und ist es bis heute), dass ihre Geschichte, der Anfang und der Gründer unter ihnen kaum erwähnt werden. Die „Sekten-Literatur“, die sich mit ihnen beschäftigt, hält Gottfried Holic für den Gründer[8], der sein Studium der kath. Theologie wegen eines Konfliktes mit der Kirche nicht beendete und als Resultat seines „militanten Missionsverständnisses“ (Szekták, 1998: 192) auch aus einer pfingstlichen evangelischen Kongregation ausgeschlossen wurde, so dass er 1978 zusammen mit zwei anderen ehemaligen Theologiestudenten eine eigene Gemeinschaft gründete[9]. Die Gruppe erlangte größere Aufmerksamkeit, als 1982 ein 22 Jahre altes Mitglied von seinen Eltern gewaltsam aus der Gemeinschaft entführt wurde, um sie zu „Deprogrammieren“. Es folgte ein Gerichtsverfahren, das von der jungen Frau (und der Gemeinschaft) gewonnen wurde. Im Westen verbreiteten sie sich anfangs nur im deutschen Sprachraum, später entstanden kleinere (10-25 Mitglieder) Gemeinschaften in Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Litauen, Lettland und Rumänien, und schließlich entstand die größte Gemeinschaft in Ungarn, wo sie seit 1989 präsent sind[10].

Als ihr Anliegen beschrieben sie, dass sie in ihrem alltäglichen Leben all das erfahren wollen, was im neuen Testament beschrieben und in der frühen Christenheit gelebt wurde. Sie wollen keine äußerlichen Regeln, die durch Gewohnheiten und nicht durch geistliche Anliegen geformt wird, oder durch irgendeine unangemessene Abhängigkeit zusammen gehalten wird. Es soll eher eine Hingabe sein, die von einer inneren Überzeugung getragen ist. Sie sehen ihre Gemeinde als Gemeinschaft derer, die Gottes Ruf zu einem heiligmäßigen Leben gefolgt sind. Sie betonen, dass sie keine neuen Offenbarungen haben, keinen speziellen Sendungsauftrag nur für sie und dass sie der Bibel nichts hinzufügen wollen. Sie betonen die reine Lehre und ein Leben nach dem Willen Gottes als die beiden grundlegenden Kriterien für das Christsein[11]. Sie betonen, dass nicht nur die, welche böse sind, sondern auch alle, die Gott nicht mit ihrem ganzen Leben dienen wollen, nicht in der Gemeinschaft der Heiligen (und eine solche seien sie) leben dürfen. „Es hat keinen Sinn, wenn wir in einer Gemeinschaft mit allen Menschen leben wollen, wenn die meisten davon die Einladung Gottes nicht annehmen.“ Aufgrund der Lehre des Neuen Testaments können sie nicht in einer Gemeinschaft mit Ungläubigen oder nominellen Christen oder mit denen leben, die falschen Lehren folgen. Und die Mehrheit der Menschheit fällt in eine dieser Kategorien.

Gegen die oft erhobene Anschuldigung, ihre Missionsmethode sei, dass sie Mitglieder anderer Gemeinschaften „fischen“ (abwerben), verteidigen sie sich mit dem Hinweis, dass die anderen Kirchen, welche sich Christen nennen, die Welt in ihre Kirchen hereinlassen, so dass sie nicht als wirkliche christliche Gemeinschaften angesehen werden können. Allerdings finden sie in deren Kreisen oft Menschen, denen der Wille Gottes wichtig ist. Während sie zu Beginn der 90er Jahre praktisch nur auf religiösen Treffen missionierten, wo sie viele junge Leute trafen, sprachen sie später eher durchschnittliche Leute an. Sie betrachten sich nicht als eine Gemeinschaft mit adventistischem, charismatischem oder neu-protestantischem Charakter. Sie vertreten die Meinung, dass die katholischen, orthodoxen und protestantischen „institutionellen Kirchen“ die folgenden Punkte korrekt lehren: Die Einzigkeit Gottes, die Gottheit Jesu, die Christologie, die Lehre der Trinität, die Unsterblichkeit der Seele und die Existenz der Hölle:

Laut dem kath. Theologen Csaba László Gáspár „beschreiben die Abhandlungen die Glaubenssätze der Christen. Dabei reflektieren sie das momentane Selbstverständnis einer Gruppe, der eine historische Dimension und eine dauerhafte Existenz fehlt (aus diesem Grund sprechen sie nicht die Probleme an, die aus einer längerfristigen Existenz entstehen). Sie setzen voraus, dass der direkte Maßstab einer korrekten Interpretation das inspirierte Gewissen ist, das man völlig von der historischen Dimension der menschlichen Existenz isoliert hat. Da es also keine Interpretationsregel gibt, kann eine Bibelstelle zu jeder Zeit mit allem möglichen verbunden werden. Die Sicht auf die Bibel ohne Beachtung eines Kontextes kann frisch und ursprünglich wirken, was wichtig und förderlich ist, aber nur, wenn man es als ersten Schritt begreift und die Notwendigkeit betont, dass es das Resultat sich wandelnder Zeiten ist. Nur die Zeit kann das entscheiden. Und die Frucht reift ständig. Die strenge Absonderung der Christen von der Welt verdeutlicht den Mangel an Erfahrung über den ständigen Konflikt zwischen Glaube und alltäglichem Leben, was sich an der naiven Schriftauslegung zeigt.“[12]

Weil sie keine relevante Bibelstelle im Neuen Testament finden können, feiern[13] sie keine extra Hl. Messe und betonen, dass ihr ständiges Leben eine Heilige Messe sein soll. Genauso wie die Zeugen Jehovas kennen sie keine Feste, weil auch die ersten Christen keine Feste gehabt hätten. Und für alle, die einander lieben, ist jeder Tag ein Fest. Außer einigen eigenen Kompositionen enthält ihr Liederbuch Lieder aus verschiedenen Konfessionen.

Bevor sie der Gruppe beitraten, waren die meisten auf der Suche, viele davon speziell Gottessucher[14]. Sechs von ihnen waren vorher in zwei oder mehr religiösen Gemeinschaften Mitglied. Auf die Frage, was sie ganz am Anfang am attraktivsten an der Gruppe fanden, antworteten die meisten, dass es das christliche Leben nach der Bibel sei, dass sie sich umeinander liebevoll sorgen, dass sie ehrenvoll seien und ihr ganzes Leben Gott übergeben[15] haben. Zwei Drittel der Antwortenden konnte sich an nichts erinnern, dass es am Anfang irgendetwas gab, was sie nur schwer akzeptieren[16] konnten. Die anderen erwähnten das Verbot zu Heiraten, den Tagesablauf, theologische Fragen, ein Wirken, ohne Dank dafür zu erfahren, die Selbstprüfung, die Praxis der Liebe und vollkommenen Hingabe.

Diese religiöse Gemeinschaft wirkt in Form einer internationalen Bewegung bis heute, wobei die kleinste Größe der kleinen Gemeinschaften zwischen 10-20 Mitgliedern liegt. Die Grundlage ist eine geschwisterliche Beziehung (teilweise lebt man in Wohngemeinschaften und in wenigen Fällen, wo das nicht geschieht, hält man zumindest täglich engen Kontakt) ohne Institutionen, ohne hierarchische Struktur und ohne spirituellen oder administrativen Führer. Vor 10 Jahren wurde die Gesamtzahl der Mitglieder auf etwa 200 geschätzt, davon 60-70 in Ungarn. Sie gehen davon aus, dass die Zahl der Mitglieder, die die Gruppe verlassen haben, nicht größer ist als die Zahl der Eintritte. Wenn man das bedenkt, konnte die Gruppe damals und kann bis heute weder als dynamisch wachsend, noch als schrumpfend bezeichnet werden. Ebenso verursachen sie keine großen äußeren Veränderungen und haben auch keinen machtvollen Einfluss. Was dennoch erstaunlich ist: in den 90er Jahren ängstigten sich Tausende Menschen vor diesen 60 Leute in Ungarn (indem sie diese als destruktive Sekte bezeichneten).

Auf die Frage „Auf welche Weise beteiligst Du dich am Leben der Gemeinschaft? Was ist Deine Position, Deine Rolle, Deine Aufgabe in der Gemeinschaft?“ gaben sie zwei Arten von Antworten: ein Teil von ihnen meinte, dass sich die Aufgaben aus der jeweiligen Situation ergäben, ein anderer Teil meinte, dass das aus den ihnen von Gott gegebenen Talenten und Fähigkeiten folgte, ein dritter Teil sage, dass sich jeder überall beteilige. Die am meisten erwähnten Aufgaben waren (mit Ausnahme der Mission) das Ermutigen und Begeistern ihrer Geschwister, das Lehren und Trösten und professionelle Aufgaben (Autos reparieren, Hausmeisterarbeiten, Kochen). In dieser Gemeinschaft, die (nach ihrer Meinung) den ersten christlichen Gemeinden ähnelt, tragen nur die „Älteren“ eine größere Verantwortung als der Durchschnitt – im biblischen Sinne des Wortes. Auch wenn es keine Leiter gibt, so erklären sie doch, dass einige Personen angesehener sind. Zum Beispiel meinen viele von ihnen, dass Gottfried Holic nicht ihr Gründer ist. Er ist nur einer von denen, die „beständiger im Glauben“ sind, „eine stärkere Hingabe leben“, „erfahrener“ sind und „großes biblisches Wissen“ haben.

Vor 10 Jahren waren die Christen eine Bewegung, die sich vor unseren Augen entwickelte, veränderte und reifte. Ihre Gewohnheiten (Gesprächs-Spaziergänge zu zweit, Wochenend-Treffen, die Zeremonien, das Raufen) und die Entwicklung einer eigenen Sprache[17] formten das Bild einer religiösen Gemeinschaft mit charakteristischen Merkmalen.

Es ist Tatsache, dass die Mehrheit von ihnen die elterliche Wohnung verlassen haben und mit ihren Geschwistern zusammen leben. Somit hat sich ihr Beziehungssystem und Lebensstil enorm verändert. Gleichzeitig haben aber zwei Fünftel der Antwortenden ihren Arbeitsplatz beibehalten.[18] Diejenigen, die innerhalb der Gruppe arbeiten, machen das auf zwei verschiedenen Arbeitsfeldern: Autoreparatur und Hauswirtschaft für die anderen Mitbewohner (Kochen, Einkaufen, Putzen). Jedenfalls haben sich die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder fundamental verändert: Die Bibel wurde ins Zentrum gerückt. Sie geben sich große Mühe, sich jeden Tag zu treffen, um einander zu bestärken und geistlich zu bereichern und so viel Zeit wie möglich gemeinsam zu verbringen. Wie die ersten Christen sprechen sie über Gott in der Gemeinschaft (nicht individuell, persönlich). Um eine gute Gemeinschaft zu sein, was zuerst bedeutet freiwillige Hilfe anzubieten, glauben sie, dass das Teilen der materiellen Dinge ganz natürlich aus ihrer engen geistlichen Beziehung hervorgeht und weil sie einander vertrauen.

Allgemein werfen ihnen alle kritischen Abhandlungen über sie vor, die Askese zu übertreiben: Sie hätten eine unzureichende Ernährung und nicht ausreichend Schlaf. Demgegenüber habe ich bemerkt, dass sie sich, auch wenn das Essen keinen zentralen Raum einnimmt, doch gesund, abwechslungsreich und durchaus professionell ernähren (unter ihnen ist ein Ernährungsfachmann). Der Konsum von Alkohol, Kaffee und Süßigkeiten sowie das Rauchen von Zigaretten ist nicht verboten, aber sie halten es für gesundheitsschädlich. Sie halten die Anschuldigung, sie würden Sexualität und Liebesbeziehungen oder die Ehe wegen des Missionsauftrags und der baldigen Wiederkunft Christi verbieten, für ebenso haltlos wie die Behauptung, sie würden diejenigen ausschließen, die heiraten wollen (Szalai, 1999: 88). Gleichzeitig bestätigen sie, dass sie Liebesbeziehungen derzeit nicht für passend halten. Aber sie betonen immer wieder, dass sie das nicht als Dogma, sondern eher als praktische Maßnahme betrachten. Sie bestätigen auch, dass es derzeit unter ihnen keine Liebes- oder Ehepaare gibt.

Gegenüber dem Vorwurf, dass sie zwar Sexualität verurteilen, jedoch gleichzeitig Angehörige unterschiedlichen Geschlechts miteinander raufen, entgegen sie, dass dies zum einen eine Form sei, geschwisterliche Liebe auszudrücken, und zum anderen eine körperliche Form und Manifestation des homo ludens (lat. spielender Mensch). Weiterhin äußerten sie mir gegenüber, dass es da bisher nur sehr wenig Missbrauch gegeben habe.

Angesprochen auf die Werte, die sie für sehr wichtig halten, nannten sie: Liebe, Ehrlichkeit, Demut, Verantwortung, Gerechtigkeit, Nüchternheit, Gehorsam und Hoffnung. Als ich ihr Wertesystem mit dem Rokeach Value Survey verglich, wurden von den von den dort beschriebenen instrumentalen Werte von den meisten genannt: Ehrlichkeit, Selbstkontrolle, Verantwortlichkeit, Tolerantes Verhalten, Hilfsbereitschaft, Vergebungsbereitschaft und Gehorsam[19], während von den Terminal Values genannt wurden: der Zustand der Erlösung, Freiheit, Weisheit, wahre Freundschaft, Glücklichsein und eine friedliche Welt[20]. Die am meisten abgelehnten Werte waren: Gesundheit, Wohlstand, Liebe, spannendes Leben, soziale Anerkennung und Selbstachtung.

Die „Älteren“ der Gemeinschaft sagten, dass sie nur dann jemanden ausschlössen, wenn sie ihm auf keine andere Weise mehr helfen können. Aber sie halten es für möglich, dass genau diese Erfahrung seine Bekehrung erleichtern würde. Und eine Wiederaufnahme ist nicht unmöglich. Die in der Gruppe verblieben, sahen die folgenden Punkte als die häufigste Ursache für das Verlassen der Gruppe:
1) Dissens in Lehrfragen;
2) die Unfähigkeit, den Lebensstil zu übernehmen, der für sie zu schwierig war und zu viel Selbstverleugnung abverlangte;
3) dass ihnen weltliche Dinge zu wichtig wurden, wie z. B. Arbeit, Karriere, Familie;
b) sie wollten eine eigene Familie gründen;
c) sie fanden eine Gemeinde, die eher zu ihnen passt oder sie gründeten eine eigene Gemeinde;
d) sie hielten sich selber ungeeignet für die Lebensweise der Gemeinschaft, sie dachten, dass sie nicht genug Raum für ihre Privatsphäre hatten;
e) sie konnten die zwei unterschiedlichen Berufungen (die zum missionarischer Einsatz und die „individuelle“, „weltliche“, die sie sich ausgesucht hatten, wie z.B. Kunst, Wissenschaft, öffentliches Leben) nicht vereinbaren;
f) sie wollten versuchen, ob sie in der Lage seien, allein und selbständig zu leben.

Ein Teil derer, die die „Sekte“ verlassen haben, beschreit es in eher düsteren Begriffen. Gleichzeitig haben die, welche die Gemeinschaft freiwillig verlassen haben, noch die, welche ausgeschlossen wurden, eine negative Meinung über die Gemeinschaft. Eher haben einige offenherzig erklärt, dass sie seitdem keine Gemeinschaft wie diese gefunden haben.

Vor 10 Jahren vertrat ich die Meinung, dass diese Sekte auf keinen Fall als eines der destruktiven religiösen Phänomene bezeichnet werden darf, welche die menschliche Würde verletzen und die Gesellschaft gefährden. Auch fand ich in ihren Aktivitäten, wie z. B. dem Missionieren auf religiösen Großveranstaltungen, nichts Gesetzwidriges. Selbst wenn ich ihre Maßstäbe als sehr hoch angesetzt, ihre kritischen Meinungen (mit Hang zum Kritizismus), ihr Glaubens- und Wertesystem und ihre Lebensweise sowohl von einem theologischen, psychologischen oder sozialem Aspekt her diskussionwürdig fand, meinte ich, dass eine Verurteilung dieser Gruppe eher ein negatives Licht auf den Verurteiler wirft. Ich musste zugestehen, dass ein gewisses Elite-Bewusstsein unzweifelhaft charakteristisch für sie ist (wie sie mit Nachdruck behaupten, dass sie zwar einzelne Christen, aber nie eine authentische christliche Gemeinschaft getroffen hätten), aber ich meinte, dass dies eher von der Freude über die eigene Auserwählung als von einem Stolz kam, dass nur sie erlöst würden. Ich war der Meinung, dass die Lebensweise der Christen – wie die Lebensform in Klöstern oder geistlichen Bewegungen, die hohe Maßstäbe setzen – ein Weg ist, der nur für wenige gangbar ist. Ihre geringe Zahl scheint das zu bestätigen. Weiterhin meinte ich, dass sie trotz ihrer Eigentümlichkeiten und Schwächen doch unsere Gesellschaft als wertvolle Nunance bereichern. Sie setzen einen interessanten – wenn auch selten gehörten – Ton in das religiöse Leben Ungarns.

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[1] Ihnen wurde Dinge vorgeworfen wie „brutale Gehirnwäsche im Namen der Bibel“, „Mitglieder haben ihre Eltern zu verleugnen. Wer die Sekte verlassen will, dem wird die ewige Verdammnis prophezeit“, „Sie lehren, dass alle, die heiraten, in die Hölle kommen“, „Die Mitglieder müssen miteinander raufen, auch Jungen mit Mädchen, um ihre fleischlichen Bedürfnisse zu befriedigen, denn Partnerschaften sind verboten“, „Es war unmöglich, ein Gespräch mit ihnen zu beginnen, weil sie vollkommen introvertiert waren“.

[2] Sie erklärten, dass sie als Nachfolger Christi danach strebten, „mit einer kompletten Lebenshingabe“ die Liebe zu leben, die in 1 Joh 3,13-18 beschrieben ist (Hangyál, 1992:5)

[3] Die Polizei leitete in keinem einzigen Fall eine strafrechtliche Untersuchung gegen die religiöse Gemeinschaft ein. Der Generalstaatsanwalt antwortete auf eine Petition, indem er das Resultat der Nachforschungen der Behörden in Paks darlegte: „Es wurden keine Fakten vorgelegt, die einen nachvollziehbaren Verdacht irgend einer kriminellen Handlung nahelegten. Weder die Gefahren eines einfachen oder pervertierten Lebensstils, noch die Anstiftung zu kriminellem Handeln oder die Verletzung persönlicher Freiheiten konnten festgestellt werden.“

[4] Trotz der gegen sie gerichteten Medienkampagne in den Jahren 1992-1993 traten sie verschiedene Male ins Licht der Öffentlichkeit. Sie gaben Interviews in Zeitungen und im Fernsehen. Sie erlebten dabei, dass ihre Aussagen einige Male verdreht wurden, so dass sich zurückzogen.

[5] . In Ergänzung zu den Inhalten, die auf ihrer Homepage (die im Frühling 2000 eingerichtet wurde) stehen, schrieben sie – als Antwort auf meine Fragen - einiges zu ihren Lehrinhalten nieder, womit ich unabsichtlich zur Entwicklung ihrer „verschriftlichten Inhalte“ im zehnten Jahr ihrer Geschichte beitrug.

[6] www.keresztenyek.hu

[7] Man kann sehen, dass sie weder als typisch adventistische noch als pfingstlerisch-charismatische Sekte charakterisiert werden können.

[8] Im deutschen Sprachraum werden sie oft unter dem Namen Holic-Gruppe geführt.

[9] Die Gemeinschaft selbst beschreibt ihre Entwicklung wie folgt: „Unser Gründer und Leiter ist allein Jesus Christus. Im Laufe der Geschichte hat Jesus ständig Menschen in seine Nachfolge gerufen. Wir sind weder die ersten noch die letzten Christen. Da Gott beständig Menschen ruft, ist es nichts besonderes, wenn sich einige Christen in Wien Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts fanden.

[10] Bald nach der Gemeinschaft in Budapest wurden Gemeinschaften in Györ, Szeged und Dunföldvár gegründet. Ein großer Teil der lokalen Bevölkerung sah in ihnen eine der „schädlichen Sekten der verdammenswerten Demokratie“, die Autos reparierten und zusammen in einer ehemaligen russischen Kaserne in Dunaföldvár lebten. Bereits 1992 wurden sie auf 50 bis 100 Mitglieder geschätzt. Zu dieser Zeit existierte ihre einzige Wohngemeinschaft in Dunaföldvár. Die Einheimischen befürchteten unlautere Geschäfte und Sklavenarbeit in ihren Autoreparaturwerkstätten, und bei dem Wort „Kommune“ hatten sie schräge Vorstellungen. Die alten Kleinbusse wurden im Westen sehr billig (mit offiziellen Dokumenten) gekauft. Nachdem sie instand gesetzt waren, nutzten sie diese, um Kontakt mit ihren ungarischen und ausländischen Geschwistern zu halten. Ungeachtet dessen und anderer Dinge, die durch den Bericht der lokalen Behörden richtig gestellt wurden, haftete ihnen weiter das Etikett an. Infolgedessen und weil die Gemeinschaft in Dunaföldvár immer unbeliebter wurde, suchten sie nach einem naturnäheren Ort, von aus wo sie leichter zu ihren Ausflügen aufbrechen und wo sie ihre Wochenendtreffen unter entspannteren Bedingungen verbringen konnten, und der leichter für die auswärtigen Geschwister zu erreichen war. Sie fanden ihn in Kis-bükk puszta, nahe Oroszlány. Die Autoreparaturwerkstatt wurde auch dorthin verlegt.

[11] Ob eine Religion oder religiöse Gruppe wirklich christlich ist, kann daran erkannt werden, ob ihre Lehre und Lebensweise biblisch ist. Sie meinen, dass es nicht schwierig sei zu erkennen, ob bestimmte Mitglieder Christen sind.

[12] Ich zitiere aus einer handschriftlichen Anmerkung von Csaba László Gáspár von vor 10 Jahren.

[13] Sie haben durchaus einige Zeremonien (obwohl ein Teil der Mitglieder das nicht als Zeremonien bezeichnen würde). So taufen sie z. B. diejenigen, die sich ihnen angeschlossen haben. Jeder von ihnen kann diese Taufe spenden. Das öffentliche Sündenbekenntnis ist ebenfalls eine solche „Zeremonie“.

[14] Einige von ihnen waren vorher Mitglieder in zwei oder mehreren religiösen Gemeinschaften.

[15] Einer ihrer typischen, oft verwendeten Ausdrücke.

[16] Das betrifft das Innenleben der Gemeinschaft. Die Reaktion ihrer Familien und Freunde war ein starker Schock für viele von ihnen.

[17] Die Wohnwagen werden Mammut, Frosch und Lamm genannt, das Liederbuch heißt „Hefter“, die Ausdrücke „Hingabe“, „spirituelle Liebe“ und „Heiliger Geist“ werden verwendet.

[18] Diejenigen, welche gerade in Ausbildung gingen, als sie der Gruppe beitragen, haben die Ausbildung inzwischen beendet.

[19] Die am meisten abgelehnten Werte waren: Fröhlichkeit, Reinlichkeit, Ehrgeiz und Höflichkeit.

[20] Die am meisten abgelehnten Werte waren allgemein Gesundheit, Wohlstand, Liebe, aufregendes Leben, soziale Anerkennung und Selbstachtung.

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